38-Jähriger aus Delmenhorst gestand, bis zu 30 Menschen getötet zu haben. Polizei untersucht 200 Verdachtsfälle

Oldenburg. Niels H. spritzte vielen seiner Patienten eine Überdosis Medikamente – um sich dann als Retter aufzuspielen: Am Donnerstag ist der Krankenpfleger aus Delmenhorst für eine beispiellose Mordserie zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. Nach eigenen Angaben hat er bis zu 30 Patienten umgebracht. Verurteilt wurde er wegen zweifachen Mordes, zweifachen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung. Das Landgericht Oldenburg stellte bei dem 38-Jährigen eine besondere Schwere der Schuld fest. Damit kann die Strafe nicht nach 15 Jahren, wie sonst möglich, zur Bewährung ausgesetzt werden.

Niels H. hatte im Prozess lange geschwiegen, dann aber überraschend ein umfassendes Geständnis abgelegt. Etwa 90 Patienten hat er demnach zwischen 2003 und 2005 auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst eine Überdosis eines Herzmedikaments gespritzt, das zu Kreislaufversagen, Herzrhythmusstörungen und anderen Komplikationen führte. Damit habe er beweisen wollen, wie gut er Menschen wiederbeleben könne, sagte er. Bei bis zu 30 Opfern sei es ihm nicht gelungen.

„Die Menschen waren Spielfiguren für Sie – in einem Spiel, in dem nur Sie gewinnen und die anderen alle verlieren konnten“, sagte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann. In den Taten komme „eine Unmenschlichkeit zum Ausdruck, die Angst macht“.

Doch die Mordserie könnte noch weit größer sein. Die Ermittler untersuchen derzeit mehr als 200 Verdachtsfälle an früheren Arbeitsstellen des Mannes. Niels H. war lange auch am Klinikum Oldenburg tätig, fiel dort ebenfalls durch häufige Wiederbelebungen auf. Die Ermittler wollen in den nächsten Wochen acht Leichen exhumieren und auf Spuren des todbringenden Herzmedikaments untersuchen lassen. Für vier weitere Exhumierungen liegen bereits Genehmigungen vor.

Verurteilen konnten die Oldenburger Richter den Pfleger nur für fünf angeklagte Taten. Deshalb muss sich Niels H. möglicherweise erneut vor Gericht verantworten, wenn die Polizei ihre Ermittlungen beendet hat.

Im Jahr 2008 war Niels H. bereits wegen eines ähnlichen Falls zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Schon damals gab es Hinweise, dass der Pfleger deutlich mehr Patienten getötet haben könnte. Die Staatsanwaltschaft ging dem aber nicht nach. Erst als Angehörige der Opfer Druck machten, ermittelte die Behörde weiter und klagte den Mann erneut an. Die Staatsanwaltschaft räumt inzwischen Pannen und Verzögerungen ein. Gegen zwei frühere Mitarbeiter besteht der Verdacht der Strafvereitelung im Amt.

Für die Deutsche Stiftung Patientenschutz bedeutet das Urteil nur den Anfang der Aufarbeitung. „Nichts sehen, nichts hören und nichts sagen – das waren zu oft in Krankenhäusern und in der Justiz die Devisen.“ Nötig sei eine bessere Kontrolle der Medikamentenabgabe und eine Sterbestatistik.