Häfen Hamburg und Bremerhaven benötigen Gleise Richtung Süden. Dialogforum sucht Konsens

Celle/Hannover. Dass mit dem Ergebnis des Prozesses am Ende alle zufrieden sind, glaubt nicht einmal Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies: „Es wird nicht ohne Betroffenheit abgehen.“ Aber um möglichst viele Bürger zu überzeugen, hat am Freitag ein bundesweit einmaliges Projekt begonnen: Im Dialogforum Schiene Nord unternimmt das Land den Versuch, ein seit Jahrzehnten hoch umstrittenes Großproblem zu lösen: Den Neu- und Ausbau der wichtigsten Schienenverbindungen von den großen Häfen Hamburg und Bremen nach Süden.

600.000 Euro haben Land und Bahn AG investiert, in Celle waren rund 80 Vertreter aller beteiligten Gruppierungen und staatlichen Einrichtungen versammelt. Also von Bahn, den Ländern Niedersachsen, Hamburg und Bremen, Landräte, Bürgermeister, Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen. Minister Lies versprach in seinem Grußwort, sich künftig rauszuhalten aus dem Dialog. Regie führt nicht die Politik sondern der eigens engagierte Moderator und Kommunalberater Jens Stachowitz. Insgesamt wird es bis in den November hinein noch weitere acht solche Großveranstaltungen mit Direktübertragung im Internet geben.

Breiten Protest gibt es bereits seit 1992, als die Bahn ihre Pläne für die sogenannte Y-Trasse vorstellte, als neue Schnellstrecke von Hannover Richtung Bremen und Hamburg exklusiv für den Personenverkehr. Diese Planung aber ist ohnehin überholt, weil inzwischen der Güterverkehr so stark angewachsen ist, dass die erhoffte Entlastung der Strecken Hamburg, Lüneburg, Uelzen nach Hannover und Bremen – Hannover nicht ausreicht. Also wird jetzt bei der Y-Trasse auch mit Güterverkehr geplant.

Dreh- und Angelpunkt des jetzt begonnenen Diskussionsprozesses ist die Bedarfsprognose. Bund und Bahn gehen davon aus, dass der Güterverkehr bis zum Jahr 2030 um 38 Prozent steigt und die Bahn sogar 43 Prozent mehr Ladung schultern muss. Der Harburger Landrat Rainer Rempe beklagte in Celle, beim Dialogforum gebe es die versprochene gleiche Augenhöhe nicht. Es fehle an Geld, um die Prognosen von Bund und Bahn von unabhängigen Experten überprüfen zu lassen.

Geht es nach den diversen Bürgerinitiativen, soll es weniger um komplette Neubaustrecken gehen, sondern um eine intelligentere Verkehrslenkung, verbunden mit mehr Lärmschutz auf den bestehenden Strecken. Andere Bürgerinitiativen dagegen lehnen den Ausbau bestehender Strecken strikt ab.

Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) jedoch setzt auf eine Reaktivierung der ehemaligen Bahnstrecke Berlin–Bremerhaven und möchte dort Doppelstockcontainer transportieren lassen. Und Verkehrsminister Lies hörte brav zu, mischte sich nicht ein, aber lobte per Pressemitteilung hinterher: „Ich bin sehr angetan von der Qualität und Sachlichkeit der ersten Diskussionen.“