Attacke auf Unterkunft in Grabau. Rechtsextreme bedrohen Bürgermeister von Boostedt wegen Umbaus der Kaserne

Bad Oldesloe. Eine Asylbewerberunterkunft in der Gemeinde Grabau (Kreis Stormarn) ist mit einer Rauchgaspatrone attackiert worden. Unbekannte hatten sie am vergangenen Freitag gegen 22 Uhr ins Treppenhaus der ehemaligen Wassermühle geworfen. „Ich konnte fast nichts mehr sehen“, berichtet ein aus Syrien stammender Bewohner. „Lauft raus! Schnell!“, habe er seinen Wohnungskollegen noch zugerufen.

Das Treppenhaus sei binnen Sekunden verqualmt gewesen. „Ich wollte das Ding anfassen, aber es war sehr, sehr heiß“, sagt ein ebenfalls aus Syrien stammender Asylsuchender. Erst mithilfe von Küchenhandtüchern habe er die Nebelkerze nach draußen werfen können, weitere Bewohner riefen Polizei und Feuerwehr. Ein übler Scherz oder ein fremdenfeindlicher Anschlag? Noch rätselt die Polizei über die Hintergründe der Tat.

In Boostedt (Kreis Segeberg)scheint die Lage eindeutig zu sein: Seit ein Teil der Rantzau-Kaserne zur Flüchtlingsunterkunft ausgebaut wird, werden Bürgermeister Hartmut König (CDU) und seine zweite Stellvertreterin Marina Weber (FDP/FWB) von der rechten Szene bedroht. König erhielt mehrmals entsprechende Briefe und Anrufe. Gegen Weber wird im Internet gehetzt. Zudem habe jemand das Wort „Schlampe“ in ein Beet ihres Gartens geritzt, berichtet Weber. Anfang Dezember wurde sie dann von einem Auto angefahren. Ob der Vorfall einen politischen Hintergrund hat und mit den Bedrohungen zusammenhängt, ist aber noch unklar. Aus Angst vor Übergriffen war die 49-Jährige über Weihnachten in ein Hotel geflüchtet.

Ein Sprecher der Polizei bestätigte dem Abendblatt: „Der Staatsschutz führt Ermittlungen, die stehen jedoch noch ganz am Anfang.“ Sowohl mit König und Weber als auch mit weiteren Gemeindemitgliedern stehe der Staatsschutz in einem engen Kontakt.

In der Rantzau-Kaserne sollen von März an bis zu 500 Asylsuchende unterkommen. Die dort stationierten Bundeswehrverbände werden aufgelöst. Fünf Gebäude sollen künftig als Ergänzung zur zentralen Erstaufnahmestelle für Asylsuchende in Neumünster dienen. Hartmut König und Marina Weber unterstützen deshalb, wie auch die meisten anderen Lokalpolitiker, den Umbau der Kaserne zur Asylunterkunft.

Die NPD hat unterdessen ihre Präsenz von Neumünster weitgehend auf die Straßen Boostedts verlagert. Regelmäßig verteilt sie dort Flugblätter und versucht Botschaften wie „Boostedt vor der Asylflut retten!“ zu verbreiten. Bislang scheinen die Botschaften ausländerfeindlicher Gruppen aber nicht auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Die Gemeinde sprach sich zwar für eine Begrenzung der Anzahl der Flüchtlinge aus. Dass Boostedt mit seinen 4600 Bewohnern dauerhaft 500 Asylsuchende aufnehmen soll, sorgte anfangs aber für Irritationen. Inzwischen haben sich neue Organisationen wie „Willkommen in Boostedt“ gebildet. Sie wollen mit ihrer Arbeit Flüchtlingen die Eingewöhnung erleichtern.

In dem kleinen Ort Grabau sind nach der Rauchbombenattacke noch keine Anzeichen für einen fremdenfeindlichen Hintergrund zu erkennen. Laut Polizei gab es weder Schmierereien noch Bekennerschreiben. Dennoch berief das Innenministerium am Sonnabend eine Pressekonferenz in der 700-Seelen-Gemeinde ein. Staatssekretärin Manuela Söller-Winkler (SPD), Vertreter des Kreises Stormarn sowie Polizei und Feuerwehr kamen zusammen, um das weitere Vorgehen besprechen.

„Es ist ja so, dass man hofft, das es nur ein ‚Dummer-Jungen-Streich‘ ist, man aber gleichzeitig die Sorge hat, es könnte sich um einen anderen, ernsthafteren Hintergrund handeln“, sagte die Innenstaatssekretärin Söller-Winkler. „Das war für mich Anlass genug, heute hierherzukommen und mir selbst ein Bild zu machen.“ Es gehe nun aber nicht darum, über die Hintergründe des Vorfalls zu spekulieren.

Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner gab in den „Lübecker Nachrichten“ der Anti-Islam-Bewegung Pegida eine Mitschuld. „Diese Menschen tragen eine klare Mitverantwortung”, sagte er. „Wer Stimmung gegen Flüchtlinge macht und damit ein Klima der Intoleranz schafft, trägt dazu bei, dass so etwas passiert.”

Während der Attacke waren sechs der insgesamt neun Bewohner im Haus. Zwei von ihnen mussten wegen Augenproblemen ambulant in einem Krankenhaus behandelt werden. Die Flüchtlinge sind mittlerweile wieder alle in ihre Unterkunft zurückgekehrt. Woher die Rauchpatrone stammte, ist nach Angaben der Polizei noch unklar. Bekannt sei bisher nur, dass die Patrone nicht aus Militärbeständen kommt. Weiteres müsse die Untersuchung des Landeskriminalamts ergeben. Die Staatsanwalt Lübeck hat inzwischen eine Belohnung von 5000 Euro für sachdienliche Hinweise ausgesetzt.