Ein kleines Team bestimmt bei Nico Feuerwerk in Trittau, was zu Silvester tausendfach in die Luft gejagt wird. Produziert wird längst in China, aber das Gehirn des Unternehmens sitzt in Stormarn.

Made in China. Stimmt. Aber nicht ganz. Die Pülverchen werden zwar in dem ostasiatischen Land gemischt und mit Lunten zu Überraschungspaketen zusammengeschnürt. Aber wie diese Kreationen aussehen, die glitzernd und krachend am Silvesterhimmel in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Holland, Slowenien oder Rumänien aufgehen, darüber entscheidet ein kleines Team, das seit 20 Jahren der harten Konkurrenz trotzt: Steht Nico auf den Feuerwerkpaketen aus Asien – steckt ganz viel Norddeutschland drin.

Gerade einmal fünf Leute sind es, die vor den Toren Hamburgs im beschaulichen Trittau die Stellung halten. Sie sind das Hirn und Herz von Nico Feuerwerk, der Nachfolgefirma des einstigen Trittauer Familienbetriebs Nico-Pyrotechnik. Sie setzen Trends, holen Handelspartner wie Aldi und Edeka ran, regeln die Logistik zwischen den Standorten Trittau, Berlin, Worms und Wuppertal und halten so die Fäden von drei Gesellschaften unter dem Dach der Holding Pyro Contact zusammen. Vor allem aber sorgen die fünf dafür, dass es Nico immer noch gibt.

„Totgeglaubte leben länger“, sagt Vertriebsleiter Axel Zimmermann und lächelt norddeutsch zurückhaltend. Der Trittauer redet nicht gern vom Erfolg, auch weil er weiß, wie verlustreich der Kampf ums Überleben war. Zimmermann ist schon seit mehr als 20 Jahren in der Branche. Er war auch in der Hochphase Anfang der 1990er-Jahre dabei, als Feuerwerk noch ein Trittauer Exportknaller war. Genauso wie die Mili-Milch von glücklichen Kühen eine gefühlte Ewigkeit als Markenzeichen der kleinen Stormarner Gemeinde galt. Beides ist Vergangenheit.

Dennoch ist der Norden so etwas wie eine Feuerwerk-Hochburg. Nico hat sich behauptet. Die Firma Comet hat ihren Sitz in Bremerhaven. Und Weco, der Marktführer, hat einen seiner drei Standorte in Kiel und produziert sogar noch vor Ort. „Ansonsten werden nirgendwo mehr in Deutschland Feuerwerkskörper hergestellt“, sagt Nico-Produktmanager Carsten Both. „Mittlerweile wird alles in China produziert. Trittau ist da absolut keine Ausnahme.“ Stimmt. Aber nicht ganz. Denn hier ist das Hauptquartier. Trittau ist eine Feuerwerksschmiede und deswegen eben doch etwas Besonderes.

Quintett gibt China von Norddeutschland aus Aufträge


Der Produktmanager ist das beste Beispiel. Er ersinnt immer neue Silvesterschlager. „Batterien sind absolut in.“ Was sich nach Auto anhört, ist eine Abfolge verschiedenster Effekte, die der Trittauer als Farb- und Hörrausch regelrecht komponiert. Er ist so etwas wie der Chefdesigner. Dann ist da noch der Vertriebsleiter mit dem richtigen Verhandlungsgeschick, der kreative Kopf des Label-Managements und der findige Chef der Logistik. Gruppenbild mit Dame: Fünfte im Bunde ist Kirsten Willers, die Leiterin des Einkaufs. Das Quintett deckt die Kernbereiche des Unternehmens ab und bildet das kreative Kompetenzzentrum, das China von Norddeutschland aus Aufträge gibt, doppelte Qualitätskontrollen durchsetzt und zeigt, wo es langgeht – nicht steil nach oben. Aber norddeutsch solide auf guter Flughöhe.

Ein seit mehreren Jahren stabiler Jahresumsatz von 20 Millionen Euro ist eine vorzeigbare Hausnummer. Sie zeigt die immer noch vorhandene Größe des Unternehmens, das sich deutschlandweit den dritten Platz sichert und auf das die Trittauer und die bundesweit 60 Beschäftigten der Nico-Gruppe stolz sein können. Zumal nicht viel gefehlt hätte, und das Traditionslabel wäre vom Markt verschwunden: Die einst florierende Nico-Pyrotechnik war in Schieflage geraten. Vor allem die Produktion von Airbag-Zündern als neuem Standbein hatte zu viel Kredite erfordert. 2002 war es dann so weit: Der Betrieb wurde verkauft und ging in der Rheinmetall Holding auf.

Funkelnde Sternchen, die das neue Jahr begrüßen sollen, gehören bei Rheinmetall nicht gerade zum Portfolio. Der Konzern produziert für die Bundeswehr. Scharfe Munition herzustellen wäre für Nico-Firmengründer Hanns-Jürgen Diederichs niemals infrage gekommen. Weder im Gründungsjahr 1949, fünf Jahre nach Kriegsende. Noch 1970, als Rheinmetall in einem ersten Schritt 49 Prozent der Anteile übernommen hatte. Aber mit dem Verkauf änderte sich alles. Aber nicht ganz. Denn Nico ist ein Inbegriff für Feuerwerk geblieben und nach 65 Jahren immer noch da – wenn auch schwer zu finden.

„Das ist auch gut so. Wir wollen gar nicht so auffallen“, sagt Vertriebsleiter Zimmermann und öffnet die Haustür auf der Hofseite. Das Geschäftshaus von Nico Feuerwerk ist unspektakulär und liegt versteckt im Trittauer Gewerbegebiet.

Trittauer dürfen an letzten Tagen des Jahres verkaufen


Vor zehn Jahren sind die Silvesterexperten hierhergezogen. Hier gibt es nur Büros, keine Herstellung, keinen Verkauf. Auch auf dem alten Firmengelände, das bezeichnenderweise immer noch an der Straße Bei der Feuerwerkerei liegt, sind keine Raketen zu kriegen. Hier produziert jetzt nur die Rheinmetall Waffe Munition GmbH. Nicos Produktmanager hat erlebt, wie mit der Übernahme durch den Konzern aus dem Familienbetrieb Nico Pyrotechnik ein Firmengeflecht wurde, in dem für viele Mitarbeiter kein Platz mehr war. Both: „Die Leute wurden reihenweise entlassen. Ein Vertriebsbüro nach dem anderen in Deutschland wurde damals zugemacht.“

Die Zeiten des Umbruchs sind vorbei. Zurücklehnen können sich die Trittauer trotzdem nicht. Sie müssen präzise kalkulieren – auf den Punkt genau. „Wir dürfen nur in den letzten drei Tagen des Jahres verkaufen“, sagt der Produktmanager Both – also ab dem 29. Dezember. Es sei denn, ein Sonntag liegt dazwischen. Dann fällt der langersehnte Startschuss am 28. Dezember.

In drei Tagen entscheidet sich also die Arbeit eines Jahres. Da ist ein gutes Feeling überlebenswichtig. Was wollen die Kunden? Und was nehmen die Handelsketten? Gespür und Überzeugungsarbeit sind gefragt. „Die Batterien machen zurzeit 30 Prozent des Verkaufsvolumens aus“, sagt Zimmermann. „Danach folgen Raketen mit 25 Prozent. Ebenso wie Tischfeuerwerk, Fontänen und Wunderkerzen.“

Obwohl mit einem Verkaufsanteil von nur 20 Prozent auf dem dritten Platz, gehört ein anderer Feuerwerkskörper aus uralten Zeiten stückzahlmäßig zur Königsklasse. Unscheinbar, hart und unberechenbar ist sie der Albtraum einer jeden empfindsamen Prinzessin. Kinderfreundlich, handlich und preiswert ist sie der Renner für preisbewusste Familien: die Knallerbse. „Sie ist unverwüstlich“, sagt Vertriebsleiter Zimmermann. „3,4 Millionen verkaufen wir im Schnitt jedes Jahr.“ Dass jener Prof. Justus Liebig, der das gleichnamige Fleischextrakt, damit den Vorläufer der Maggi-Würze, und das Backpulver erfand, ausgerechnet auch mit der Knallerbse wissenschaftlich experimentierte, ist eine andere Geschichte.

Produktmanager Both hält es da eher mit seinen eigenen Entwicklungen. Der allerletzte Schrei für Silvester 2014: Rocket Strike – eine Rakete ohne Holzstab, aber mit Schweif und lautstarkem Aufstieg. Ein echter Knaller made in Trittau. Und das stimmt genau.