Hätten Kollegen den Pfleger stoppen können, der mehrere Patienten getötet haben soll?

Oldenburg. Wegen dreifachen Mordverdachts muss sich ein Krankenpfleger vor dem Oldenburger Landgericht verantworten. Mit jahrelanger Verzögerung hat sich die Staatsanwaltschaft zudem entschieden, weiteren über 200 Verdachtsfällen nachzugehen auch durch Exhumierungen. Und seit diesem Dienstag ermittelt die Justiz nun auch gegen Arbeitskollegen des 37-jährigen Angeklagten. Die betroffenen Beschäftigten des Klinikums Delmenhorst, so der Anfangsverdacht, könnten sich des Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht haben, weil sie Hinweise über einen sprunghaften Anstieg des Verbrauchs eines bestimmten Herzmedikaments nicht ernst genommen haben. Folgerichtig verweigerte am Dienstag ein als Zeuge geladener Arbeitskollege die Aussage.

Bereits 2008 ist der Angeklagte wegen Mordversuchs zu über sieben Jahren Haft verurteilt worden. Um sich vor dem Stationsteam zu beweisen, so auch der Verdacht bei den jetzt angeklagten drei Todesfällen, habe er erst das überhaupt nicht taugliche Medikament verabreicht, um dann zu glänzen bei der Reanimation der Patienten. Auch Langeweile soll eine Rolle gespielt haben. Im Gefängnis hat er nach der Aussage eines anderen Strafgefangenen damit sogar geprahlt: Er habe bei 50 Toten aufgehört zu zählen.

Immer stärker zeichnet sich ab, dass sowohl die Klinik in Delmenhorst als auch das Klinikum Oldenburg, wo er zuvor gearbeitet hat, Warnsignale überhört haben. Obwohl sie ihn loswerden wollte, stellte die Leitung der Oldenburger Klinik 2003 dem Pfleger ein gutes Zeugnis aus und warnte auch mündlich in Delmenhorst nicht vor dem Mann. Das Klinikum Delmenhorst wiederum tat nichts, obwohl die zuliefernde Apotheke nachdrücklich auf den unerklärbar starken Anstieg des Verbrauchs des Herzmedikaments hinwies.

Und die Justiz, die jetzt gegen das Team der Intensivstation ermittelt, steht selbst im Fokus. Der Generalstaatsanwalt hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück beauftragt, gegen die Kollegen in Oldenburg zu ermitteln. Das läuft auf den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt gegen zwei frühere Dezernenten heraus.

Erst im neuen Jahr sollen die Exhumierungen beginnen, derzeit müssen also die Angehörigen von über 200 Verstorbenen weiter mit der Ungewissheit leben. Jene möglichen Fälle kommen jetzt zusammen, weil auch die Akten der Oldenburger Klinik, des Krankenhauses Wilhelmshaven und die Nebentätigkeit des Mannes als Rettungssanitäter unter die Lupe genommen werden.