Büsum plant, mit öffentlichen Geldern die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern.

Büsum. Wenn alles klappt, wird Büsum bald zum Zentrum für Touristen der besonderen Art. In der Westerstraße, unweit der Kurverwaltung, könnte ein Zukunftsmodell für die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen zu besichtigen sein. Am 16. Dezember entscheiden die Büsumer Gemeindevertreter, ob sie den Weg frei machen für Deutschlands erstes kommunales Hausarztzentrum. Es wäre besonders für die Ärzteschaft ein gewaltiger Schritt, geradezu ein Paradigmenwechsel. Denn die seit Jahrhunderten auf Unabhängigkeit bedachten Mediziner werden in Büsum zu schlichten Gemeindeangestellten. Kann das gut gehen? „Ja“, sagt Klaus Bittmann, Vorstandssprecher der Ärztegenossenschaft Nord. „Die heute in Ausbildung befindlichen Allgemeinmediziner wollen so arbeiten.“

Sie wissen vor allem auch, wie sie nicht mehr arbeiten wollen: Nämlich nicht so wie die fünf Hausärzte, die es in Büsum derzeit noch gibt. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 63 Jahren. Drei von ihnen werden in den nächsten zwei Jahren ihre Praxis aufgeben. Erste Versuche, Nachfolger zu finden, sind misslungen. Man muss fast sagen: Natürlich sind sie misslungen. Harald Stender weiß, warum das so ist. „Die jungen Allgemeinmediziner, die jetzt in den Beruf gehen, wollen keine Einzelkämpfer sein“, sagt er. „Sie wollen geregelte Arbeitszeiten. Und sie haben keine Lust auf die Bürokratie, die mit dem Führen einer Praxis verbunden ist.“

Stender, der ehemalige Geschäftsführer des Westküstenklinikums in Heide, hat einen wohl deutschlandweit einmaligen Job. Seit zwei Monaten ist er als „Koordinator ambulante Versorgung“ für den Kreis Dithmarschen tätig. „Ärzte zusammenschnacken“: So beschreibt Stender seine Arbeit. Er versucht, Ärzte in eine Region zu locken, die für sie nicht gerade attraktiv ist. Viel Arbeit, wenig Großstadt-Reize.

Die Rahmenbedingungen für das Büsumer Zukunftsmodell „Kommunales Ärztezentrum“ sind bekannt. Am Dienstag präsentierte Stender dem Hauptausschuss der Gemeinde Büsum einen Businessplan. „Die schwarze Null steht“, sagt der Koordinator. Mit anderen Worten: Die Gemeinde soll das Projekt kein Geld kosten.

Geplant ist, dass Büsum ein Gebäude an der Westerstraße kauft und zum Ärztehaus umbaut. 1,6 Millionen Euro soll das kosten. Die Gemeinde gründet einen „Eigenbetrieb hausärztliche Versorgung“. Der mietet das Haus. Mit der Miete werden Zins und Tilgung für den Hauskredit beglichen. Die Praxisorganisation übernimmt die Ärztegenossenschaft Nord. In das Gebäude werden vier der fünf Büsumer Hausärzte ziehen, im Sommer könnte es so weit sein. Sie haben sich davon überzeugen lassen, zum Ende ihres Berufslebens noch einmal etwas Neues zu machen: Sie geben ihre Selbstständigkeit auf und werden Angestellte des Eigenbetriebs und damit Gemeindebedienstete. Das Geld für ihr Gehalt, – Fixum plus Provisionen – kommt von den Krankenkassen.

Wie ist es gelungen, die Büsumer Ärzte „zusammenzuschnacken“? „Ein wichtiges Argument war, dass ihnen damit ein langsamer Rückzug aus dem Beruf möglich wird“, sagt Stender. Bisher sieht das Berufsende bei niedergelassenen Ärzten so aus: Sie verkaufen ihre Praxis und wechseln vom einem auf den anderen Tag in den Ruhestand. Umgekehrt sieht der Berufsanfang junger Mediziner so aus: Sie verschulden sich hoch, um eine Praxis kaufen zu können, und müssen vom einen auf den anderen Tag voll arbeiten, um das Geld wieder hereinzubekommen. Ein erheblicher Druck. In Büsum wird es ihn bald nicht mehr geben. „Wir haben unter den jetzt in Ausbildung befindlichen Allgemeinmedizinern ganz viele Frauen“, sagt Stender. „Sie können am Anfang ihres Berufslebens eine Teilzeittätigkeit viel besser mit einer Familiengründung kombinieren, und sie wollen das auch. Und die alteingesessenen Mediziner können auf diese Weise noch mit reduziertem Zeitaufwand weiter arbeiten.“

Stender weiß, dass dieses Modell auch Risiken birgt. Nicht finanzielle. „Ich habe keinen Zweifel, dass das mit der schwarzen Null für die Gemeinde klappt“, sagt er. Aber es gibt menschliche Risiken. „Harmonieren Alt und Jung miteinander? Wenn die Zusammenarbeit nicht klappt, können Sie das Modell vergessen“, sagt Stender. Aber er findet, dass es keine Alternative gibt. „Welche Wahl hat Büsum denn?“ Die Gemeinde mit rund 5000 Einwohnern braucht Ärzte. Sie braucht sie gerade im Sommer, wenn rund 30.000 Touristen den Badeort bevölkern – nicht eingerechnet die Touristen, die kommen werden, um einen Blick auf die Zukunft der Hausarztversorgung zu werfen.