Nordkirche richtet eine „Unabhängige Ansprechstelle“ ein

Ahrensburg/Travemünde. Worte wie „Scham“ und „wir sind fassungslos“ waren am Freitag in einem Travemünder Hotel häufiger zu hören. Dort traf sich das Parlament (Synode) der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Erneut mussten sich die Kirchenparlamentarier mit einem der größten kirchlichen Missbrauchsskandale befassen. Es war Bischöfin Kirsten Fehrs, die am Vormittag ans Rednerpult schritt, um über Konsequenzen zu sprechen. Schließlich hatte die Unabhängige Expertenkommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. Er dokumentiert 16 sexuelle Missbrauchsfälle, die sich in einem Zeitraum von 30 Jahren in einer Ahrensburger sowie weiteren Kirchengemeinden ereignet hatten. Die Expertenkommission gab 155 Empfehlungen. Die Kirche reagierte mit einem Zehn-Punkte-Plan. Ein Vorhaben ist jetzt umgesetzt.

Konkret geht es um die „Unabhängige Ansprechstelle bei Fragen sexualisierter Gewalt und Grenzverletzungen“ (UNA). Ab sofort können sich dort Opfer, ihre Angehörigen und Zeugen bei der Elmshorner Initiative Wendepunkt melden. Der Verein ist seit 20 Jahren auf Interventionen bei sexualisierter Gewalt spezialisiert. Die Organisation mit ihren 34 Mitarbeitern übernimmt in den nächsten vier Jahren die Arbeit einer Ansprechstelle. Dafür erhält sie jährlich 25.000 Euro von der Nordkirche. Wie Wendepunkt-Geschäftsführerin Ingrid Kohlschmitt sagte, gibt es nunmehr ein niedrigschwelliges und anonymes Angebot. Die Gespräche finden „unabhängig von der Kirche“ statt. Wer sich per Telefon oder Mail melde, werde über die weiteren Schritte beraten. „Wir prüfen die strafrechtliche Relevanz und geben eine erste Orientierung. Therapeutische Hilfe leisten wir nicht“, betonte Kohlschmitt. Bischöfin Fehrs zeigte sich erneut betroffen vom Ausmaß des „Systems Missbrauch“ in der Kirche. „Wir sind auch als Institution schuldig geworden“, sagte sie.

Ihren Angaben zufolge prüfe die Kirchenleitung ein Disziplinarverfahren gegen eine frühere Oberkirchenrätin wegen des Verdachts der Amtspflichtverletzung. Allerdings, fügte Bischöfin Fehrs mit einem Hinweis auf das Gutachten der Expertenkommission hinzu, dürfte es sich damals nicht nur um eine einzige leitende Person gehandelt haben. Es seien aufgrund der kirchlichen Strukturen mehrere daran beteiligt gewesen, die „nichts getan oder dokumentiert“ hätten, sagte sie dem Abendblatt.

Die „Unabhängige Ansprechstelle" Elmshorn ist ab sofort unter der kostenlosen Rufnummer 0800-022 00 99 sowie per Mail ( una@wendepunkt-ev.de ) zu erreichen.