Seminar der Leuphana-Universität Lüneburg führt schwache Hauptschüler zum Erfolg. Leistungen verbessern sich enorm. Mehr als 90 Prozent schaffen Schulabschluss

Quickborn/Lüneburg. Bis zur achten Klasse hatte sie immer schlechte Noten in Englisch, sagt Vanessa Vanni aus Quickborn. Jetzt, in der neunten, sei alles anders: „Ich schreibe nur noch Einsen“, so die 16-Jährige. Annemarlen Wickhorst aus Hemdingen, ebenfalls 16, hat sich in Mathe und Deutsch verbessert. Und Malik Arsanukalv aus Pinneberg macht „nicht mehr so viel Quatsch“ im Unterricht, sondern passt jetzt auf. „Ich habe gelernt, höflich zu sein“, sagt der 15-Jährige.

Die plötzliche Wandlung der drei Hauptschüler aus dem Kreis Pinneberg hat ihren Grund. Alle drei nahmen zusammen mit 30 weiteren Achtklässlern an einem Sommercamp teil, das die Lüneburger Leuphana-Universität in den Sommerferien für Schüler anbietet, die so große Probleme durch ihre Leistungen und ihr Verhalten haben, dass ihnen ein Abgang ohne Schulabschluss droht. Der Quickborner Rotary-Club beteiligte sich an den Kosten, wie auch 21Schwesterorganisationen aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. 4200 Euro wurden pro Schüler fällig. Die Rotary-Clubs übernahmen die Hälfte davon, die andere zahlte die Bundesagentur für Arbeit. Für das dreiwöchige Seminar wurden die jungen Teilnehmer in dem Jugendhof Scheersberg untergebracht, der bei Flensburg liegt.

1500 Schüler hätten bislang an diesen Sommerakademien teilgenommen, sagt der Bildungswissenschaftler Kurt Czerwenka, Professor an der Lüneburger Universität. Er rief das Projekt 2007 ins Leben. Die Schüler werden von Fachlehrern, Sozialpädagogen und Psychologen rund um die Uhr betreut und fachlich angeleitet. Von 8.30 Uhr an büffeln sie mit speziellen Lernmethoden Mathematik, Deutsch und Englisch. Am Abend können sie bei Musik, Tanz und Theater ihre kreativen Talente zeigen. Personalleiter und Handwerksmeister aus der Privatwirtschaft trainieren mit ihnen, wie sie sich bei einem Unternehmen bewerben. In der Freizeit können die Jugendlichen in der Flensburger Förde baden oder sich beim Hochseilklettern versuchen.

Der Erfolg gibt den Machern recht. „Alle Teilnehmer verbessern ihre Lesekompetenz um ein- bis zwei Schuljahre“, sagt die Akademieleiterin Maren Voßhage-Zehnder. „Mindestens 90 Prozent machen ihren Schulabschluss.“ Voriges Jahr waren es 31 von 35 Teilnehmern, sagt der Quickborner Rotary-Alterspräsident Rüdiger Lang. „Vier haben dann eine Lehre begonnen, 27 sind auf weiterführende Schulen gewechselt. Drei Schülern ist sogar empfohlen worden, noch das Abitur zu machen.“

Nach dem Sommercamp werden die Schüler bis zum Schulabschluss betreut

Die 17 Betreuer setzen alles daran, in dem Seminar das Selbstbewusstsein der Schüler zu stärken. Die jahrelangen Misserfolge hätten deren Lernbereitschaft und Selbstwertgefühl auf einen Tiefpunkt gebracht, wie Maren Voßhage-Zehnder sagt. Auf der Sommerakademie bekämen sie Anerkennung. „Sie lernen auch, dass sie eine wichtige Rolle in der Gruppe spielen können und für sich selbst und nicht für die Lehrer lernen. Das ist das eigentliche Geheimnis unseres Erfolges.“

Jutta Vanni erkennt ihre Tochter kaum wieder. „Vanessa ist viel selbstbewusster geworden und geht offen auf die Menschen zu“, berichtet sie. Ihre Tochter habe auf Anhieb einen Praktikumsplatz in der Altenpflege bekommen. Altenpflegerin, das sei auch ihr Traumberuf – und den könne sie nun wohl doch noch erlernen. „Ich habe mir in dem Bewerbungsgespräch viel mehr zugetraut als früher“, sagt Vanessa selbst dazu.

Damit sich das in den Ferien erworbene Wissen und das selbstbewusste Auftreten nicht wieder verflüchtigen, werden alle Teilnehmer jetzt wöchentlich von Leuphana-Pädagogen betreut. In Quickborn übernehmen diese Aufgabe die Erlebnispädagogin Alma Rude und die Psychologin Lea Gaede. Da gehe es neben Nachhilfe in Problemfächern um mentale Unterstützung für die Schüler, wenn sie Probleme mit Eltern oder Freunden haben. „Wichtig ist, dass die guten Ansätze nicht im Sande verlaufen“, sagt Lea Gaede.

In der Arbeitsagentur in Neumünster haben jetzt alle 33 Teilnehmer vor den Augen und unter dem Applaus ihrer stolzen Eltern ihre Zertifikate erhalten. „Wir glauben an euch, dass es mit eurem Schulabschluss klappt und dass ihr euren Weg geht“, gab ihnen Rüdiger Lang mit auf den Weg. „Es ist gutes Geld, das wir investiert haben. Denn ihr seid unsere Zukunft.“