Monika Heinold auf Tour in Norderstedt, Pinneberg und Stormarn. Schleswig-Holstein investiert trotz Schuldenbremse.

Norderstedt. „Wir haben natürlich nicht Geld für alles.“ Monika Heinold, grüne Finanzministerin des hoch verschuldeten Landes Schleswig-Holstein, sieht nicht glücklich aus, als sie diesen Satz sagt. Hier, am Rande der maroden Landesstraße L160 im Kreis Stormarn, klingt er fast ein bisschen fatalistisch. Der Asphalt auf einer der Fahrbahnseiten gleicht einer Kraterlandschaft. Ein Tempolimit ist überflüssig. Jeder bremst hier. „Oder er benutzt die Gegenfahrbahn, die sieht besser aus“, sagt Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch. Wobei das natürlich nicht erlaubt ist.

Der Sanierungsstau in Schleswig-Holstein zwingt zu solchen Verhaltensweisen. Auf drei bis fünf Milliarden Euro allein bei den Landesstraßen und den Landesimmobilien beziffert ihn Heinold. Welche Folgen das hat, lässt sich im Hamburger Rand nicht nur auf der L160 beobachten. Die Schuldenbremse wirkt wie eine Investitionsbremse.

Aber es gibt im „Speckgürtel“ auch Gegenbeispiele. Eine Stunde später steht Heinold vor dem Rohbau einer psychiatrischen Tagesklinik in Norderstedt. Träger sind die Regio Kliniken Elmshorn und der Landesverein für Innere Mission. Dessen Geschäftsführer Claus von See schwärmt von dem „Modellprojekt“. „Das wird in ganz Schleswig-Holstein Schule machen“, sagt er. In dem 2640 Quadratmeter großen Bau können erstmals psychisch kranke Jugendliche und Erwachsene unter einem Dach behandelt werden. Für erkrankte Familienmitglieder ist das ideal. 2,6 Millionen Euro hat das Land dazugegeben. Im Januar wird die Klinik mit 32 Behandlungsplätzen und einer Ambulanz ihre Arbeit aufnehmen.

Auch in Pinneberg wird kräftig investiert. Das marode Amtsgericht muss dringend modernisiert werden. Im Mai geht es los. Die Fassade wird erneuert, im Inneren sind einige Umbauten erforderlich. Die Gerichtsverhandlungen müssen deshalb für den größten Teil des Jahres ausgelagert werden. 4,1 Millionen Euro gibt das Land aus. Kleinere Speckgürtel-Investitionen kommen hinzu. In Norderstedt werden fast 900.000 Euro für einen modernisierten Brandschutz im Amtsgerichtsgebäude ausgegeben. Für 600.000 Euro wird im Gebäude der Polizei Itzehoe dasselbe getan.

Das Land tut also schon etwas. Aber manche sagen: Es ist es zu wenig. In Trittau findet der Bürgermeister, dass sich Schleswig-Holstein ruhig an den Kosten für den Schulbau beteiligen könnte. „Im kommenden Jahr werden wir da sicher wieder einen Millionenbeitrag investieren müssen“, sagt er. Einige dieser Investitionen sind die Folge von Landesgesetzen, zum Beispiel des neuen Schulgesetzes. Die Gemeinschaftsschule ist so ein Fall. Seit gut einem Jahr hat sie eine Oberstufe, dafür werden weitere Räume benötigt. Dem Wunsch nach einem vom Land finanzierten Schulbauprogramm, das es früher einmal gab, begegnet Heinold auch in Norderstedt. Anette Reinders, die Sozialdezernentin der Stadt, sagt: „Wir müssen in den nächsten Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in die Schulen stecken.“

Heinold hört aufmerksam zu, fordert geradezu dazu auf, Wünsche und Ideen zu äußern. „Darauf war ich gar nicht vorbereitet“, entfährt es dem Stormarner Landrat Klaus Plöger, der die Ministerin in Trittau begleitet. Dann legt er sich ins Zeug, um energisch für die L160 zu werben. „Das Thema Infrastruktur ist bei den Leuten populär“, sagt er. „Ich mache da mal einen Marketingvorschlag für die Landesregierung. Spart im Landesetat irgendwo 25 Millionen Euro, steckt die in die Straßen und sagt am Ende der Legislaturperiode: ‚Dieses Problem haben wir gelöst‘.“

Heinold lächelt. „Sagen Sie mal, wo ich die 25 Millionen Euro sparen soll.“ Plöger: „Ach, da findet sich schon was.“ Heinold: „Wenn ich die Wahl habe, die L160 zu sanieren oder Kindergärten zu bauen, dann mache ich lieber die Kindergärten.“ Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch hält dagegen: „Wir brauchen beides.“

Aber beides geht eben nicht. Selbst im günstigsten Fall würde es wohl vier Millionen Euro kosten, die L160 zu sanieren. Und das bei einer Straße, die keine wichtige Funktion hat und mit rund 2600 Fahrzeugen am Tag auch nicht gerade intensiv genutzt wird. Bei den Landesstraßen herrscht ohnehin Mangelverwaltung. Zu lange ist dort nichts getan worden. Der aktuelle Zustandsbericht zeigt, dass in Stormarn 33,8 Prozent der Landesstraßen sanierungsbedürftig sind. Im Kreis Pinneberg sind es 21,3 Prozent, im Kreis Segeberg 23,6 Prozent, im Kreis Herzogtum Lauenburg gar 38,6 Prozent. Das Geld reicht aber gerade einmal, um die wichtigsten Verbindungen in Stand zu halten.

Monika Heinold weiß das. Dennoch rückt sie nicht von ihrem Sparziel ab. Ab 2020 will das Land ohne neue Schulden auskommen. Fachjargon: die „schwarze Null“. Heinolds Koalitionskollege Ralf Stegner, SPD-Fraktionschef im Kieler Landtag, hat neulich gefordert, mit diesem Ziel auf Bundesebene zu brechen, um mit mehr staatlichen Investitionen die Konjunktur in Gang zu halten. „Ich bin ein großer Anhänger der schwarzen Null“, sagt dazu die Finanzministerin in Trittau. Deshalb: kein Geld für die L160.

Freunde macht man sich damit natürlich nicht. Aber es gibt eben auch die andere Seite. In Norderstedt fragt Heinold den Geschäftsführer der Inneren Mission, was denn passiert wäre, wenn das Land den Bau der Tagesklinik nicht mit 2,6 Millionen Euro gefördert hätte. „Dann wäre sie nicht gebaut worden“, sagt er. „Sie haben das Geld vollkommen richtig ausgegeben.“ Die Finanzministerin strahlt.