Hindernislauf mit Schmutz, Eiswasser und Elektroschocks: Zum ersten norddeutschen Tough-Mudder-Rennen kamen 6000 Teilnehmer nach Basthorst

Basthorst. Schon nach den ersten Kilometern suppt reichlich Schlamm aus den Schuhen, bei jedem Schritt schmatzt das Geläuf. Oona Mathys, eine junge Frau aus Bergedorf, sieht bereits in dieser frühen Rennphase aus wie das „Ding aus dem Sumpf“. Vor ihr liegt nun Hindernis Nummer zwei: Ein Container mit vier Grad kaltem Eiswasser. Ohne viel Federlesen und von einem spitzen Schrei begleitet, taucht die junge Frau ab – und erstaunlicherweise mit einem Lächeln wieder auf. Irgendwas muss wohl dran sein, am angeblich härtesten Rennen der Welt.

Oona Mathys ist 20 Jahre alt, studiert Ernährungswissenschaften und hat sich ein halbes Jahr lang auf diesen Tag vorbereitet. Die sportliche Blondine ist täglich fünf Kilometer gelaufen, um fit zu sein für den Tough Mudder. Eine Art Abenteuerlauf, der an diesem Wochenende das erste Mal in Norddeutschland auf Gut Basthorst veranstaltet wurde.

Tough Mudder lässt sich mit „harter Modder“ übersetzen. 2010 wurde das Querfeldeinhindernisrennen das erste Mal in den USA veranstaltet. Seitdem gleicht die Idee einem Siegeszug, auch in Deutschland wurde Tough Mudder zur perfekt organisierten Expedition ins Matschreich. 2013 gab es weltweit 53 Läufe, immer mehr Leute wollen sich kostenpflichtig auf Trainingsparcours für Militärs quälen.

Auf der Basthorster Strecke wurden für diesen Zweck Gräben ausgehoben, Brettergestelle in die Landschaft geschraubt und mannsdicke Abwasserrohre verlegt. Laut Veranstalter wollten an zwei Tagen 6000 Teilnehmer die 18 Kilometer lange Strecke mit ihren 23 Hindernisse absolvieren. Sie wollten durch Morast waten, Schlammgruben durchkriechen und vier Meter hohe Wände überklettern. Sie wollten für bis zu 150Euro Startgebühr mal was total Verrücktes machen. An einigen Hindernissen durften sie sogar Stromstöße wie ungezogenes Weidevieh kassieren.

Dieser Weg, das wurde schnell klar, wird kein leichter sein. Trotzdem ist der Parkplatz am Gut Basthorst schon am Morgen brechend voll, die Musik dröhnt aus den Boxen, ein Animateur brüllt sportlich gekleidete Menschen an. Parole: kollektives Warmmachen! Auch Oona Mathys hat sich ihre Startnummer auf die Stirn gekritzelt und lässt sich vor dem Start von einem Einpeitscher einschwören. Entschlossen wiederholt sie die ersatzreligiösen Tough-Mudder-Verse: Du sollst auf deinen Nebenmann achten! Du sollst nicht nach dem Sieg, sondern nach dem Durchkommen trachten! Du sollst Teil eines Teams sein! Du sollst nicht heulen! Du sollst Spaß haben! Huuuurraaa!

Dann geht es los, über Hindernisse mit Namen wie dem Kuss des Schlamms, dem Elektrischen Aal oder dem Irren Affen. Spätestens an der Double Mud Mile, einer Buckelpiste mit Löchern voller Schmutzbrühe, erhält jeder seine Fangopackung. Oona Mathys rutscht lachend ins schwarze Loch, ein Freund zerrt sie über den Hügel, dann wieder abwärts ins nächste Dreckloch. Viele machen hinter jedem Hindernis ein Selfie. Die Dokumentation der Qual scheint inzwischen mindestens so wichtig wie die Qual selbst.

Praktischerweise sind die meisten grüppchenweise unterwegs. Helfen sich über die Berliner Mauer, stolpern über unwegiges Terrain, glitschen über die nassen Felder und schreien das Wild aus dem Wald. „Es ist ein bisschen, wie es bei der Bundeswehr hätte sein sollen“, sagt Marian aus dem Alten Land. Gerade hat er das Tunnelhindernis Boa Constrictor durchkrochen. Mit drei Freunden bildet er das Team Deine Mudder. Auf der Hälfte der Strecke sehen die vier Gefährten aber aus wie Sau. Doch aus ihren verschmierten Moorgesichtern spricht endorphingeschwängerte Glückseligkeit. Und Witze gehen auch noch: „Das Härteste bis jetzt war die Anfahrt“, sagt Helge. Der Lauf dagegen sei ein Gemeinschaftserlebnis, eine Herausforderung für die ganze Gruppe. „Wir helfen uns, geben nicht auf, brüllen uns an.“ Niemand werde zurückgelassen. „Es ist einfach geil“, sagt Marian.

Am Ende, im Ziel, gibt es für jeden Teilnehmer ein orangefarbenes Stirnband, ein Bier und das Gefühl, irgendwas Extremes geschafft zu haben. Zudem wird eine Gruppendusche ohne störenden Sichtschutz geboten. Nicht zu vergessen einen angeschlossenen Helmkameraverkauf, damit der nächste Lauf – die Veranstalter gehen von vielen Wiederholungstätern aus – in Zukunft auch ansprechend im Freundeskreis präsentiert werden kann.

Oona Mathys, die sich sonst mit Kraftsport fit hält, kosteten die Elektroschockhindernisse laut eigenen Angaben die größte Überwindung. „Das war echt fies.“ Bei einigen Hangelübungen hätten ihr die Kräfte gefehlt. Ansonsten sei sie gut durchgekommen und erstaunt, wie kurz einem 18 Kilometer vorkommen können. Es sei „irre“ gewesen, wie sich das Team auf der Strecke gegenseitig unterstützt habe.

Ihr Motiv: „Ich wollte mir beweisen, dass ich fähig bin, diese Herausforderung zu bestehen.“ Nun habe sie noch mehr Vertrauen in sich und sei nur noch glücklich. Nächstes Jahr will sie auf jeden Fall wiederkommen. Für die zweite Teilnahme gäbe es dann schon ein grünes Stirnband. Und beim Einschwören müsste sie sich nicht mehr hinknien. Offenkundig funktioniert dieses Belohnungssystem bei Tough Mudder.

Laut Veranstalter erreichen bei jedem Lauf 80 Prozent der Gestarteten das Ziel. Wer dennoch aus Verletzungs- oder Erschöpfungsgründen auf der Strecke bleibt, hat die medizinische Betreuung nebst Abtransport mittels Golfwagen gleich mitbezahlt. Spätestens im Zielbereich haben sich dann alle wieder. Und seltsamerweise wirken viele der Gesichter zufriedener als vor dem Start.