Christdemokraten wechseln Spitzenpersonal aus: Liebing folgt Parteichef Böge, Günther beerbt Fraktionschef Callsen

Kiel. Mit dem Eckernförder Landtagsabgeordneten Daniel Günther, 41, als neuem Fraktionschef und dem Sylter Bundestagsabgeordneten Ingbert Liebing, 51, als neuem Landesvorsitzenden will die schleswig-holsteinische CDU versuchen, die politische Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Der personellen Runderneuerung waren zwei überraschende Rücktritte vorangegangen. Am Donnerstag hatte der Landesvorsitzende Reimer Böge, 62, angekündigt, beim Parteitag im November nicht wieder für den Posten kandidieren zu wollen – aus gesundheitlichen Gründen. Am Sonnabend warf Fraktionschef Johannes Callsen, 48, hin.

„Um eine stimmige und überzeugende Personalkonstellation zu ermöglichen, lege ich mein Amt mit sofortiger Wirkung nieder“, sagte er in Rohlstorf (Kreis Segeberg) nach einer Sitzung des CDU-Landesvorstands. Am Sonntag wählte die 22-köpfige Fraktion Daniel Günther zu seinem Nachfolger. Er bekam 16 Stimmen – bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung. „Ein gutes Ergebnis“, sagte Günther nach der Wahl. „Ich habe ja noch nichts geleistet.“ Er will jetzt der Regierung „Feuer unterm Hintern“ machen.

Sein Vorgänger Johannes Callsen stand schon seit Längerem in der Kritik. Nach der Landtagswahl 2012, die den bis dahin regierenden Christdemokraten die Oppositionsrolle bescherte, war die Fraktion lange nicht richtig in Tritt gekommen. Das lag nicht allein an dessen Vorsitzenden. Selbst innerhalb der CDU fanden einige, dass es unter den 22Abgeordneten nicht eben viele politische Talente gebe. Immerhin machten Tobias Koch als Haushaltsexperte, Heike Franzen im wichtigen Bildungsbereich und Daniel Günther in der Affäre um die damalige Bildungsministerin Waltraud Wende durchaus eine gute Figur. Günther spielte, je länger die Legislaturperiode wurde, immer mehr sein rednerisches Talent aus – und ließ seinen Fraktionschef, der dieses Talent eben nicht hat, oft recht alt aussehen.

In den Medien wurde Callsen daher immer öfter kritisiert. Die Journalisten ernannten Wolfgang Kubicki, den Chef der sechsköpfigen FDP-Fraktion, zum „heimlichen“ Oppositionsführer – weil er, wenn es um Attacken auf die Politik der Landesregierung ging, deutlich mehr Substanz aufwies als Callsen. Der Pressereferent aus dem kleinen Dorf Mohrkirch (Kreis Schleswig-Flensburg) muss irgendwann genug davon gehabt haben. Dennoch behaupten selbst enge Weggefährten, von seinem Rücktritt überrascht worden zu sein. In gut drei Wochen, am 28. Oktober, wollte die CDU-Fraktion turnusgemäß einen neuen Fraktionschef wählen. Callsen hatte zuletzt mehrmals erklärt, erneut kandidieren zu wollen.

Doch dann kam der ganz anders gelagerte Rücktritt des Landesvorsitzenden Reimer Böge. Am Donnerstag hatte er von Herzbeschwerden berichtet – und von seinem Entschluss, deshalb das Amt des Landesvorsitzenden abgeben zu wollen. „Ich fand, dass es sinnvoll sei, die Personaldebatten gleich in einem Stück abzuarbeiten“, sagte Callsen jetzt. „Es hätte wenig Sinn gemacht, mit dem Rücktritt jetzt noch zu warten.“

Möglicherweise ist er mit seinem Rücktritt auch nur einer Rücktrittsbitte zuvorgekommen. CDU-intern hatte man am Freitag durchaus schon über eine größere Personalrochade debattiert – alles mit Blick auf die Landtagswahl im Jahr 2017. Da ging es nicht nur um die Frage, wer Parteivorsitzender wird, sondern auch darum, wie man den Posten des Fraktionschefs und auch den des Spitzenkandidaten so besetzt, dass man der Regierungskoalition Paroli bieten kann. Callsen wird das sicherlich gewusst haben. In seiner Presseerklärung heißt es denn auch: „Die jetzige Situation bietet die Chance, dass sich die CDU Schleswig-Holstein vor der nächsten Landtagswahl insgesamt neu aufstellen kann, wenn wir es gemeinsam wollen.“ Zu dieser Neuaufstellung gehört der Wechsel im Landesvorsitz. Er soll beim Landesparteitag am 15. November abgesegnet werden. Ingbert Liebing war schon vor knapp zwei Jahren einer der möglichen Kandidaten für diesen Posten gewesen. Damals hatte der frühere Wirtschaftsminister Jost de Jager überraschend seinen Rücktritt erklärt. Ihm folgte der Europaabgeordnete Reimer Böge aus Hasenmoor – nachdem Liebing erklärt hatte, nicht Landeschef werden zu wollen. Nun lässt er sich in die Pflicht nehmen. Am Freitag soll er bei einer Sitzung des Landesvorstands offiziell nominiert werden.

Das Lob, das er am Sonnabend von CDU-Granden bekam, weist allerdings nicht darauf hin, dass er einen Konkurrenten bekommen könnte. „Sein Lebenslauf qualifiziert ihn perfekt für den Posten des Landesvorsitzenden“, sagte Reimer Böge in Rohlstorf. Und Norbert Brackmann, der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Lauenburg, sagte: „Das ist eine sehr weise Entscheidung, weil Liebing durch seine bundespolitischen Aktivitäten in der Lage ist, über Schleswig-Holstein hinauszudenken.“

Liebing ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 2005 sitzt er im Bundestag. In diesem Jahr ist er zum Bundesvorsitzenden der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU gewählt worden.