Kiels Ex-Oberbürgermeisterin wirft Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten in ihrem Buch „Machtmissbrauch“ vor

Hamburg/Kiel. Susanne Gaschke, vom 11. November 2012 bis 28. Oktober 2013 Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel, hatte 1995 ihre Doktorarbeit über das Thema „Die Welt in Büchern. Kinder, Literatur und ästhetische Wirkung“ geschrieben. Nun fügte sie der Bücherwelt ein eigenes hinzu; Kinderliteratur ist es allerdings nicht. Wie der „Spiegel“ berichtet, rechnet die SPD-Politikerin darin mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) und weiteren Spitzen der Landesregierung in Kiel ab, denen sie „Machtmissbrauch“ vorwirft.

Gaschke war wegen massiven politischen Drucks von ihrem Amt zurückgetreten. Sie schreibt dazu nun: „Die Landesregierung setzte alles in ihrer Macht Stehende daran, mich zum Schweigen zu bringen.“ Mit diesem Machtmissbrauch sollte eine „direkt gewählte Oberbürgermeisterin aus ihrem Amt“ entfernt werden.

Sie beschreibt Schleswig-Holstein als „Land der alten Rechnungen“. Und notiert: „Ein verletzender, wenn nicht gar auf persönliche Vernichtung des Gegners zielender Politikstil“ sei dort erhalten geblieben. In ihrem Buch reihe sie „Indiz an Indiz für ein Komplott“, wie der „Spiegel“ schreibt. Bei SPD-Chef Ralf Stegner – auch einer ihrer Gegner – fielen ihr „gleich fünf Gründe ein, warum sie ihn nicht mag“.

Die frühere Journalistin der „Kieler Nachrichten“ und der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, seit 1987 Mitglied der SPD und politisch aktiv, war am 11. August 2011 von der Mitgliederversammlung des SPD-Kreisverbands Kiel zur Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters bestimmt und auch gewählt worden. Der bisherige Amtsinhaber Torsten Albig war zuvor gerade zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gewählt worden.

Mit ihrem Amt hatte sie auch ein Steuerverfahren gegen den Kieler Augenarzt Detlef Uthoff übernommen. Volle 15 Jahre lang hatten die Behörden versucht, eine Vollstreckung gegen den Arzt zu erwirken. Der Mediziner hatte in den 90er-Jahren Immobiliengeschäfte abgeschlossen, aus denen schließlich eine Gewerbesteuerschuld in Höhe von 4,1 Millionen Euro plus schließlich 3,7 Millionen an Zinsen und Mahngebühren erwuchs. Dem Arzt, der eine der größten privaten Augenkliniken leitete, drohte die Insolvenz – was Kiel vermeiden wollte, da angeblich rund 100 Arbeitsplätze in Gefahr waren. Oberbürgermeisterin Gaschke traf am 21. Juni 2013 eine Eilentscheidung, nach der der Mediziner die 4,1 Millionen Euro in Monatsraten von 80.000 Euro abzahlen solle. Im Gegenzug verzichtete die Stadt auf die übrigen 3,7Millionen Euro. Die CDU beantragte eine Rücknahme des Entscheides – was von der Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und SSW aber abgelehnt wurde.

Die Kommunalaufsicht jedoch stufte Gaschkes Eilentscheidung als rechtswidrig ein, und die Staatsanwaltschaft Kiel teilte am 18. Oktober 2013 mit, dass sie gegen Gaschke wegen des Anfangsverdachts „der Untreue in einem besonders schweren Fall“ ermittle. Susanne Gaschke schreibt in ihrem Buch, dass sie „als Nicht-Juristin“ keinen Grund gesehen habe, noch einmal selber zu prüfen, ob die Fachleute alles richtig gemacht hätten. Sie sei von ihrer Verwaltung im Stich gelassen worden. Und sie wirft Torsten Albig vor, er habe diese Entscheidung, die sie als Eilentscheidung gefällt habe, bereits als Oberbürgermeister längst auf den Weg gebracht – was Albig abstreitet.

Der Innenminister habe sich im Kampf gegen sie von Albig einspannen lassen

Als die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurden und die Kieler Opposition das kritisierte, reagierte Gaschke mit einer emotionalen Rede in der Ratsversammlung. Innenminister Andreas Breitner von der SPD sprach nun von einem „beschädigten Vertrauensverhältnis“ und warf Gaschke und ihrem Ehemann, dem Kieler Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels (SPD), zudem Nötigung vor – was die zuständige Hamburger Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet zurückwies. Gaschke spricht im Buch vom „PR-Knaller Nötigung“.

Am 23. Oktober 2013 erklärte die Kieler Kommunalaufsicht, dass die Eilentscheidung in Sachen Uthoff insgesamt unzulässig gewesen sei und gegen das EU-Beihilferecht verstoße. Als sich im Kieler Rat eine Mehrheit für eine Abwahl Gaschkes abzuzeichnen schien, erklärte die Politikerin ihren sofortigen Rücktritt. Gaschke begründete dies mit dem „Hass“, der ihr von „testosterongesteuerten Politik- und Medientypen, die unseren Politikbetrieb prägen und deuten“, entgegengebracht werde. In ihrem Buch wirft Susanne Gaschke Innenminister Breitner vor, er habe sich im Kampf gegen sie von Albig einspannen lassen. Aber sie räumt auch Fehler ein: „Emotionen gezeigt. Die Entschlossenheit der Landesregierung unterschätzt. Es reicht für viele Nächte der Selbstzerfleischung.“