Debatte um den Gottesbezug in der neuen schleswig-holsteinischen Landesverfassung spaltet die SPD

Kiel. In einem Monat will der schleswig-holsteinische Landtag endgültig über eine neue Landesverfassung abstimmen. Wichtige Dinge stehen da drin. Volksbegehren und Volksentscheide werden vereinfacht, die Inklusion bekommt den Rang eines Staatsziels – um nur zwei Dinge zu nennen.

Debattiert wird dieser Tage allerdings nur über ein Thema: über den Gottesbezug. In der neuen Präambel der Verfassung fehlt der Hinweis auf Gott. Die CDU will ihn hineinbekommen. Der Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) unterstützt dieses Ansinnen. Sein energisches Eintreten für den Gottesbezug spaltet die Sozialdemokraten. Erste Kritik am Verhalten des Ministerpräsidenten kommt jetzt vom SPD-Landesvorsitzenden und Fraktionschef Ralf Stegner. „Die Befürworter des Gottesbezugs fordern das zu vehement ein“, sagt er. „Das führt dann zu entsprechenden Gegenreaktionen.“

Die „Gegenreaktion“ ist ein Papier der Jugendorganisationen von SPD, Grünen und SSW, das viele namhafte Sozialdemokraten unterzeichnet haben – sowohl Landtagsabgeordnete als auch Mitglieder des Landesvorstands. In dem Aufruf unter der Überschrift „Eine Verfassung für alle“ heißt es: „Eine wachsende Zahl von Menschen in Schleswig-Holstein identifiziert sich mit keiner Religion. Ein Gottesbezug als Zusatz in der Präambel könnte vorgeben, dass die Verfassung einer religiösen Vorprägung unterläge. Eine solche Vorprägung sehen wir kritisch.“

Seit gut einem Jahr wird an der neuen Landesverfassung gearbeitet. Weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit formulierte ein Sonderausschuss des Landtags Ziele und Vorstellungen. Der Gottesbezug gehörte nicht dazu. Im Ausschuss fand sich keine Mehrheit für einen derartigen Einschub in der Präambel („in Verantwortung vor Gott und den Menschen“).

Die Christdemokraten legten einen eigenen Verfassungsentwurf mit diesem Einschub vor. Im Juli, bei der ersten Lesung im Landtag, bekam sie unerwartet Unterstützung vom Ministerpräsidenten. Seine Worte hatten ein gewisses Pathos. „Wenn wir uns über eine solche Präambel Gedanken machen, dann ist es aus meiner persönlichen Sicht auch als Christ unvorstellbar, dass wir bei einer Einordnung stehen bleiben, die nur auf uns selbst zurückführt, unvorstellbar, dass wir glauben, es reicht aus, einen Bezug zu finden, der nicht mehr ist als wir selbst“, sagte Albig im Landtag. „Ich werbe deshalb sehr, sehr dafür, dass wir dieses aufnehmen.“

Wenige Tage nach der Debatte schob der SPD-Arbeitskreis Kirchen und Religionsgemeinschaften einen Aufruf für den Gottesbezug nach. Unterzeichner waren neben Albig drei weitere SPD-Minister seines Kabinetts: Andreas Breitner, Kristin Alheit und Reinhard Meyer. Niklas Dürbrook, der Juso-Landesvorsitzende, macht kein Geheimnis daraus, dass dieser Aufruf und Albigs Landtagsrede dazu geführt haben, dass sich nun auch die Gegner des Gottesbezugs in Position bringen. „Wir wollten die öffentliche Stimmung auch von der anderen Seite abbilden“, sagt er. „Mit dem Gottesbezug schließen wir viele Menschen aus – eben diejenigen, die aus verschiedensten Gründen nicht an Gott glauben.“ Der Aufruf „Eine Verfassung für alle“ hat mehr als 70 Unterzeichner gefunden. Mit dabei sind die Landesvorsitzende der Grünen, Ruth Kastner, und der Stormarner SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein. „Wir haben in Deutschland eine Trennung von Staat und Kirche, daran sollten wir festhalten“, sagt er.

Im Landtag wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt, um die neue Verfassung zu verabschieden – egal, ob mit oder ohne Hinweis auf eine übergeordnete Macht. Der Ursprungsantrag des Sonderausschusses Verfassungsreform kommt ohne diesen Bezug aus. Er könnte die erforderliche Mehrheit erzielen – schon allein deshalb, weil es peinlich wäre, wenn die gesamte Reform scheitern würde. FDP, SSW und Piraten sind für den Ausschussvorschlag, die Grünen mehrheitlich ebenfalls. Die SPD ist gespalten, bei der CDU überwiegt der Wunsch nach einem Gottesbezug deutlich. Einige Parlamentarier aus dem Lager der Befürworter arbeiten in diesen Tagen daran, mit einer etwas milderen Formulierung als der „Verantwortung gegenüber Gott“ doch noch eine Wende herbeizuführen. Daniel Günther, der kirchenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sagt: „Vielleicht können wir diejenigen überzeugen, die nicht grundsätzlich gegen einen Gottesbezug sind.“

Der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner befürchtet hingegen, dass ein Kompromiss nicht mehr zu erzielen ist: „Dazu ist die Sache zu verhärtet.“ Er ist Befürworter eines Gottesbezugs, findet aber, dass es Wichtigeres gibt. „Wir haben bisher keinen Gottesbezug in unserer Landesverfassung“, sagt er. „Mein Eindruck ist nicht, dass das zu einem Notstand geführt hat.“