Kieler Ministerpräsident und Oppositionsführer sind dafür. Mehrheit dennoch fraglich

Kiel. Seit 1949 hat Schleswig-Holstein eine Landesverfassung. Von Gott war dort nie die Rede. Das könnte sich ändern. Jedenfalls fordern das viele Landtagsabgeordnete. Der Landtag debattierte am Mittwoch über den Entwurf einer Verfassungsreform. Der prominenteste Fürsprecher für einen solchen Gotteshinweis war Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). „Ich kann mir eine Verfassung ohne einen solchen Bezug nicht vorstellen“, sagte er. „Ich weiß, dass etwas stärker ist als ich, dass etwas größer ist als ich.“ Ähnlich formulierte es der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen: „Die Aufnahme eines Gottesbezugs würde dem Land gut zu Gesicht stehen.“

Ob sich diese ungewöhnliche Koalition aus Regierungschef und Oppositionsführer durchsetzen wird, ist unklar. Der Entwurf wird jetzt zunächst in den Ausschüssen beraten. In der Präambel fehlt der Gottesbezug. Im Sonderausschuss Verfassungsreform hatte man sich nicht darauf einigen können, ein Bekenntnis des Verfassungsgebers zur „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ aufzunehmen. Wobei die „Menschen“ nicht das Problem waren, „Gott“ allerdings schon. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki argumentierte so: „Die Verfassung ist ein Organisationsmodell. Sie soll keine Werteentscheidung vornehmen oder voraussetzen, sie ist für das ganze Gemeinwesen da.“ Also auch für diejenigen, die nicht an Gott glauben mögen.

Mit der Reform werden Volksbegehren und Volksentscheide vereinfacht

Andere Punkte der Reform waren unstrittig oder werden von einer Mehrheit unterstützt. Die ist auch notwendig, Änderungen können nur mit einer Zweidrittelmehrheit vorgenommen werden. Erstmals soll die Verfassung eine Präambel bekommen. In diesem Einleitungssatz verpflichtet sich der Landtag unter anderem, die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu bewahren und die Partnerschaften im vereinten Europa zu vertiefen. Mit der Reform werden Volksbegehren und Volksentscheide vereinfacht. Für ein Volksbegehren reichen in Zukunft 80.000 Unterschriften, bislang waren es fünf Prozent der Stimmberechtigten (derzeit rund 112.000 Wahlberechtigte). Für einen erfolgreichen Volksentscheid sind künftig nur noch 15 Prozent der Stimmberechtigten notwendig (derzeit 25 Prozent).

Eine klare Absicherung enthält die Reform für die Schulen der dänischen Minderheit. Deren Gleichstellung mit öffentlichen Schulen wird jetzt in der Verfassung verankert. Viele andere Verfassungsänderungen werden weitgehend folgenlos bleiben, weil sie nur unverbindliche Verpflichtungserklärungen sind. 160.000 Euro hat die gut einjährige Arbeit des Sonderausschusses Verfassungsreform gekostet. Die Bürger konnten sich auch beteiligen, elf Mails und Briefe haben den Ausschuss erreicht. Die Landesverfassung bleibt ein Thema für Spezialisten.