300. Jahrestag der Personalunion findet ohne das Spitzenpersonal des britischen Königshauses statt

Hannover. Sie hatten so gehofft in Hannover. Als die Planungen für die Feierlichkeiten zum 300. Jahrestag der Personalunion auf den Thronen an Leine und Themse anliefen, war ein Besuch von Queen Elizabeth II. ein fester Bestandteil der Wunschliste auf deutscher Seite. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister reiste gleich zweimal nach London, um die Möglichkeiten einer britischen Beteiligung auszuloten. Zwischen 1714 und 1837 waren die Herrscher von Hannover gleichzeitig Könige von Großbritannien.

Später war in Berlin von einem „Mehrgenerationenbesuch“ gemunkelt worden. Die Königin also, mit Prinz Charles im Schlepptau, mit William und Kate, den Vorzeigeroyals, der kleine George als namentlicher Nachfolger der Georgs aus Hannover in der Heimatstadt seiner Vorväter? Vielleicht sogar Harry, der Frauenschwarm? Weit gefehlt!

Das britische Königshaus schickte zwar die Krone, die erstmals außerhalb der Insel öffentlich gezeigt werden darf. Ansonsten kommt aber nicht die erste Garde nach Deutschland. Oder anders gesagt: Den Windsors, die bis 1917 noch den deutschen Familiennamen Sachsen-Coburg und Gotha trugen, sind ihre deutschen Wurzeln anscheinend egal. Sie reisen stattdessen in voller Familienstärke in die Normandie, um den Sieg ihrer Armee über Hitler-Deutschland zu feiern und ihrer Kriegstoten zu gedenken.

Als Ende April die Ausstellung „Der Weg zur Krone“ auf Schloss Marienburg öffnete, schickte der Buckingham-Palast Prinz Michael von Kent nach Hannover. In Deutschland musste man sich die Frage verkneifen: „Prinz wer?“ Der Cousin der Queen spielt bei Hofe praktisch keine Rolle. Aus der Thronfolge war Michael entfernt worden, weil er mit seiner Frau Marie-Christine eine geschiedene Katholikin geehelicht hatte.

Am Dienstag kam Prinz Andrew nach Hannover. Und auch der zweitälteste Sohn der Queen, in der britischen Presse wahlweise als „Randy Andy“ („Geiler Andy“) oder – wegen seiner Reisefreudigkeit auf Staatskosten – als „Airmile-Andy“ verhöhnt, ist nicht gerade der Edelwindsor mit weißer Weste. Vor wenigen Jahren drängte die Downing Street ihn zum Rückzug als britischer Außenhandelsattaché. Unter anderem, weil er Freunde hat, die das Königshaus in die Nähe von Unzucht mit Minderjährigen brachten.

Seit Jahrzehnten bedauern deutsche Adelshäuser, dass die Windsors ihnen mehr oder minder vornehm bedeuten, die bucklige Verwandtschaft aus Deutschland könne ihnen gestohlen bleiben. In der Coburger Heimat des in Großbritannien noch immer respektierten Prinzgemahls Albert etwa, hat man regelmäßig königlichen Besuch aus Belgien oder Schweden.

Familienoberhaupt Prinz Andreas, ein Urenkel von Queen Victoria, macht sich aber nichts vor: Mit den Briten werde es kaum noch Familienbande zu pflegen geben, räsonierte der Prinz, wie die britische Königin ein Ururenkel von Queen Victoria, in einem Interview anlässlich seines 70. Geburtstags vor gut einem Jahr.

Die Historikerin Carina Urbach von der Universität in Cambridge sagte bereits lange vor den Feierlichkeiten in Hannover, die Verbindungen der Windsors zum deutschen Adel seien „praktisch eingeschlafen“. Sie führte das Desinteresse vor allem auf die Nazi-Vergangenheit in Deutschland zurück.

Prinz Andrew versuchte am Dienstag, das Beste aus der Situation zu machen. Der Brite informierte sich bei Europas größtem Autobauer laut Unternehmensangaben über den Aufbau der dualen Berufsausbildung bei Bentley. Die Luxuswagenschmiede mit Sitz im britischen Crewe gehört zum VW-Konzern und ist Hoflieferant des Königshauses. Derzeit kopiert Bentley in seinem Werk mit VW-Hilfe Lernstationen für den betrieblichen Part der Ausbildung.

VW-Personalchef Horst Neumann begrüßte den Ehrengast und präsentierte Teile der praktischen Berufsausbildung. Anschließend ging es zum Eintrag ins Gästebuch der Volkswagen AG. Produktionsvorstand Michael Macht zeigte dem Prinzen einige Autos. Außerdem besichtigte der Blaublütige Bentley-Lenkräder und -Holzverkleidungen. VW-Chef Martin Winterkorn war verhindert; er war in Spanien unterwegs.

Bentley zählt zusammen mit Bugatti und Lamborghini zu den kleinen aber feinen Edelmarken des Konzerns. Von den Stückzahlen her sind die Töchter unbedeutend. Sie leisten aber in ihren Nischen sehr wichtige Forschungsaufgaben für die gesamte VW-Welt, etwa im Leichtbau. Außerdem bringen die Marken großes Prestige mit sich. So winkt immerhin die Queen regelmäßig aus einem Auto des VW-Konzerns.

Am Abend sollte Andrew Albert Christian Edward, so seine volle Namensreihe, in Göttingen die Universität besuchen. Kurfürst Georg August von Hannover hatte die Hochschule einst gegründet, er war zugleich König Georg II. von Großbritannien.