Dass der Bund die BAföG-Kosten übernimmt, beschert Schleswig-Holstein und Niedersachsen einen unverhofften Geldsegen. Die eingesparten 146 Millionen Euro wollen die Länder für Bildung ausgeben.

Kiel/Hannover. Niedersachsen und Schleswig-Holstein werden 2015 vermutlich mehr Lehrer und mehr Kindergärtnerinnen einstellen. Denn beide Bundesländer freuen sich über einen unverhofften Geldsegen. Weil der Bund die BAföG-Kosten für Studenten komplett selbst tragen will, hat Schleswig-Holstein ab dem kommenden Jahr rund 36 Millionen Euro mehr in der Kasse, Niedersachsen sogar 110 Millionen Euro ( Hamburg kann wie berichtet mit bis zu 38 Millionen Euro pro Jahr rechnen). Doch was geschieht genau mit dem Geld?

Entschieden ist da selbstverständlich noch nichts. Die CDU/SPD-Koalition in Berlin hat gerade erst beschlossen, die Länder zu entlasten. Sie hat aber zugleich empfohlen, dass die Länder das Geld für Bildung ausgeben sollten. Eine Verpflichtung gibt es allerdings nicht. Dennoch werden beide Landesregierungen dieser Empfehlung wohl Folge leisten. Denn gerade im Bereich Bildung fehlt es derzeit an Geld.

In Schleswig-Holstein stehen drei Vorhaben an. Das Regierungskoalition aus SPD, Grünen und SSW will die Lehrerausbildung reformieren und zu diesem Zweck die Universität Flensburg ausbauen. Behinderte Schüler sollen in Zukunft in Regelschulen unterrichtet werden, diese Inklusion kostet Geld. Und um den Unterrichtsausfall zu bekämpfen, sind zusätzliche Lehrerstellen erforderlich.

Das Berliner Bildungspaket hilft auch der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen aus einer Klemme. Die Oppositionsparteien CDU und FDP haben die mit nur einer Stimme Mehrheit regierende Koalition in den vergangenen Monaten immer stärker unter Druck gesetzt – mit dem Vorwurf, Wahlversprechen zu brechen. Für zusätzlichen Druck sorgte eine Bürgerinitiative, die binnen weniger Monate über 100.000 Unterschriften sammelte. Mit den rund 110 Millionen Euro gibt es jetzt den finanziellen Spielraum im Landesetat, um ab dem kommenden Jahr wie versprochen die dritte Betreuungskraft für Kita-Gruppen einzuführen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) versicherte, auch die weiteren finanziellen Entlastungen durch zusätzliche Bundesmittel für die Hochschulen und mehr Kita-Mittel für die Kommunen sollten im Bildungsbereich bleiben.

Nach seinen Berechnungen spart Niedersachsen beim BAföG 110 Millionen Euro im Jahr, die bis 2018 auf 120 Millionen anwachsen. „Insgesamt kann Niedersachsen eine strukturelle Entlastung von 150 Millionen Euro erwarten“, sagte er.

Kritik kam von der Opposition. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Försterling, bemängelte, Niedersachsen profitiere vom Bildungspaket weniger, als es seiner Bevölkerungszahl entspräche: „Der Ministerpräsident hat in Berlin schlecht verhandelt.“

Bei den schleswig-holsteinischen Bildungspolitikern sorgte die Nachricht aus Berlin für gute Laune. Anke Erdmann, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, sagte: ,,Ich freue mich besonders, dass wir nun konkret über zusätzliche Stellen für unsere Schulen nachdenken können.“ Und die Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) befand: „Das ist eine gute Nachricht. Das gibt uns neuen Gestaltungsspielraum im Hochschul- und Bildungsbereich – zum Beispiel bei der Verstetigung der Exzellenzinitiative.“

Ihre Inklusionsinitiative erfährt hingegen erst einmal eine Pause. Wende will das Konzept, das sie eigentlich schon im Frühjahr vorlegen wollte, noch einmal überarbeiten. Nun soll es im Herbst vorgestellt werden. Angesichts der „neuen finanziellen Möglichkeiten“ müsse man einige Fragen neu denken, sagte sie – „und zwar im positiven Sinne neu denken“.

Die oppositionelle CDU hat derweil schon das Ergebnis ihrer Überlegungen präsentiert und in einen Landtagsantrag gegossen. Demnach soll mit einem Teil des Geldes der „anerkannten strukturellen Unterfinanzierung der schleswig-holsteinischen Hochschulen“ entgegengewirkt werden. Mit dem anderen Teil seien 300 neue Lehrerplanstellen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung dauerhaft zu finanzieren.

Das klingt gut, ist aber möglicherweise trotz der BAföG-Millionen nicht ganz so einfach. Denn Schleswig-Holstein hat sich gegenüber dem Stabilitätsrat des Bundes zum Stellenabbau verpflichtet. Er ist ein Mittel, um den Landeshaushalt in Ordnung zu bringen. Für seine Sparbemühungen kassiert das Land jedes Jahr 80 Millionen Euro. Die Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sagt deshalb: „Klar ist, dass wir zusätzliche Lehrerstellen mit dem Stabilitätsrat abstimmen müssen, da der Stellenabbau Bestandteil unseres Konsolidierungsprogramms ist.“

Schleswig-Holstein ist nicht das erste Mal in der erfreulichen Lage, plötzlich mehr Geld in der Tasche zu haben. Im Juni vergangenen Jahres, nach Auswertung der Volkszählung, gab es plötzlich einen 60-Millionen-Euro-Aufschlag beim Länderfinanzausgleich. Mit einem Teil des Geldes konnte man den protestierenden Landesbeamten eine teure Gehaltssteigerung finanzieren. „Man kann ja mal Glück haben“, sagte damals Eka von Kalben, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. Heute weiß sie: Man kann sogar zweimal Glück haben.