Das Ehepaar Rusch betreibt in Kummerfeld ein Heim für seltene Arten und bringt Kindern das Landleben nahe

Kummerfeld. Wie praktisch, dass der Guteschafbock schneckenförmige Hörner trägt. Dörte Wendorff-Rusch hält ihn daran fest, während ihr Mann Carl Rusch den zotteligen Burschen von seiner Wolle befreit – mit bloßer Hand. Als ursprüngliche Rasse verlieren die Tiere im Mai und Juni ihre Wolle noch von selbst. Den Rest kann Rusch leicht abziehen. Die Wolle besteht aus gröberem Deckhaar, auch Grannen genannt, und dem feineren Unterhaar und eignet sich gut zum Filzen. Die anderen Schafe stehen zutraulich drumherum. Ihre Farben variieren zwischen Hellgrau, Rötlichgrau und Dunkelgrau bis fast Schwarz. Rusch lässt den Bock wieder frei. Er läuft ein paar Meter, bleibt dann neugierig stehen. Er nimmt den Zweibeinern nichts übel. Guteschafe sind gutmütige Tiere. Auch ältere Böcke sind friedfertig.

Auf dem Hof Wiedwisch in Kummerfeld, 25 Autominuten von Hamburg entfernt, haben vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen wie das Guteschaf, das Altsteirer Huhn, die Aylesburyente oder die altdeutsche Landgans eine Zufluchtsstätte. Carl Rusch arbeitete lange als selbstständiger Landwirt mit intensiver Milchviehhaltung, Rinder-, Schaf- und Pferdezucht. Vor drei Jahren hatte er einen Unfall und konnte den körperlich fordernden Beruf nicht mehr ausführen. Er kaufte in Kummerfeld ein Stück Land und sattelte um.

„Wir möchten mit der Nutztier-Arche einen kleinen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt leisten und – nicht nur, aber auch – Tiere züchten, die auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen stehen“, sagt Dörte Wendorff-Rusch. Nutztier-Archen sind Zuchtstätten für vom Aussterben bedrohte, teilweise jahrhundertealte Nutztierrassen und gehen auf eine Initiative des Vereins VIEH zurück.

Neben den vom Aussterben bedrohten Haustieren züchtet das Ehepaar Alpakas und bringt Kindern Natur, Landwirtschaft und Landleben nahe. Beide haben sich zu Bauernhofpädagogen fortbilden lassen. Sie zeigen Kindern, was aus einem Samen wächst und reift und wie köstlich die eigene Ernte schmeckt. „Wir kochen mit ihnen Suppe aus gemeinsam herangezogenem und zubereiteten Gemüse oder machen aus selbst gesammelten Früchten Marmelade“, sagt Dörte Wendorff-Rusch. Sie bietet auch Filzkurse mit der Wolle der Schafe und Alpakas, Arbeiten mit Speckstein, Naturmaterialien und vieles mehr an.

Die Kinder der offenen Ganztagsschule im Ort, Ferienkinder, Kinder mit und ohne Behinderung kommen regelmäßig, um Hochbeete anzulegen, Tiere zu füttern, über Felder zu wandern, Ringelblumensalbe herzustellen, Fliederbeeren für eine Suppe zu pflücken und Eier einzusammeln und daraus Pfannkuchen zu machen, je nachdem, was gerade anfällt. Landleben macht glücklich, sogar das Stallausmisten.

Auch wenn Alpakas nicht zu den herkömmlichen Haustierrassen gehören, vom Aussterben bedroht sind sie nicht. Die Ruschs züchten sie dennoch. „Wir müssen auch rentabel sein“, sagt Carl Rusch. Allein vom Erhalt bedrohter Arten kann niemand leben. Die geduldigen Alpakas sind angenehme Freizeittiere, die sich von den Kindern am Halfter über den Hof führen lassen. Einige Zuchttiere werden weiterverkauft und ihre Wolle in Bettdecken und Kissen gefüllt. Gerade wurden sie wieder geschoren. Nur die hippen Frisuren sind geblieben. Zuchthengst CD Bonky scheinen sie zu gefallen. Er beäugt neugierig die Damenwelt durch den Zaun.

Auf der anderen Seite stolzieren Altsteirer Hühner, scharren und picken im Garten. Das elegante Landhuhn aus der Steiermark ist voll flugfähig und robust. Charakteristisch sind der Einfachkamm mit kleinem Federschopf beim Hahn und der Wickelkamm mit Quetschfalte und Federschopf beim Huhn. Eins ist besonders zutraulich. „Wenn ich im Garten arbeite, wuselt Pink immer um mich herum“, sagt Dörte Wendorff-Rusch, die sich eigentlich nicht so viel aus dem Federvieh macht. Aber Pink ist halt ein echter Rockstar mit Persönlichkeit. Und Charakter schützt vorm Kochtopf.

Auch die Aylesburyenten, eine alte englische Mastentenrasse, fallen durch ihr zutrauliches Wesen auf. Die weißen Enten haben als einzige Entenrasse einen rosafarbenen Schnabel. Es gibt weltweit nur noch wenige Hundert Zuchttiere, und sie gilt als extrem gefährdet. Dass seine Rasse vom Aussterben bedroht ist, hält den Erpel nicht davon ab, mit einer Gans zu liebäugeln.

Die altdeutschen Landgänse stammen von der wilden Graugans ab. Als jahrhundertealte Hausgänserasse wurden sie nicht durch Zucht auf Form und Farbe manipuliert. Es gibt graue, hellblaue, blaue, braune, gelbe und weiße Gefieder, manche sind gescheckt. Sie sind ruhig und standorttreu – trotz voller Flugfähigkeit. Auch wenn es wegen der Schönheit und Zutraulichkeit der Gänse schwerfällt, es enden einige als Weihnachtsgänse. Das Schlachten gehört zum Leben auf dem Bauernhof.

Am Wochenende 21. und 22. Juni gibt es auf dem Hof Wiedwisch, Waldweg 5, in Kummerfeld aber fleischfreie Leckereien. Ruschs und die Kochfabrik laden zwischen 11 und 18 Uhr zum Kummerfelder Pfannkuchentag und Tag des offenen Gartens ein. Verschiedene Variationen werden auf offenem Feuer frisch zubereitet.