Zwei Paare wurden grausam umgebracht. Exakt 25 Jahre nach der Tat fehlt weiter jede Spur. Doch immer wieder wird der Fall neu aufgerollt

Lüneburg/Lüchow. Der 21. Mai 1989 ist ein sommerlicher Tag – und ein historischer. Denn in der Göhrde, einem Staatsforst im Landkreis-Lüchow-Dannenberg, beginnt an diesem Tag einer der spektakulärsten und vor allem rätselhaftesten Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik. Ein bis heute Unbekannter ermordet an diesem Tag im prächtigen Mischwald ein Ehepaar aus Hamburg-Bergedorf.

Erst am 12. Juli entdecken Blaubeerensammler die Leichen. Auf dem Weg zur Polizei treffen sie noch im Wald einen braunhaarigen, etwa 40 Jahre alten Mann, von dem die Polizei bis heute annimmt, dass er der Täter war. Er hat, so die Überzeugung der Polizei, genau an diesem Maitag ein zweites Paar ermordet, ein Liebespaar, das sich in der Kur kennengelernt hat, er 43 Jahre alt aus Hannover, sie 46 Jahre alt aus Uelzen. Die Polizei findet diese Leichen am 27.Juli 1989 im Rahmen einer Spurensuche im Zusammenhang mit dem ersten Doppelmord – keine 800 Meter entfernt vom ersten Fundort.

Nach Rekonstruktion der Polizei erschießt der Täter den Mann mit einer Kleinkaliberwaffe, während am ersten Fundort Beamte schon Spuren suchen. An Schüsse aber kann sich kein Polizist erinnern. Der Frau zertrümmert der Unbekannte den Schädel. In beiden Fällen ging er äußerst brutal und offenkundig zielgerichtet vor, auch wenn bei dem ersten Doppelmord wegen des hohen Verwesungsgrads durch den heißen Frühsommer offen bleibt, ob die Opfer erschlagen, erschossen oder stranguliert wurden. Sicher ist sich die Polizei aber, dass es kein Unfall oder Selbstmord war, sondern ein Verbrechen.

Die Leichen des Ehepaares waren entkleidet, im zweiten Fall waren die Opfer mindestens teilweise mit Leukoplast gefesselt. Wer in den Archiven blättert, im Internet surft, der stößt immer wieder auf neue Varianten über den Zustand der Leichen und die Art der Verletzungen, die anzunehmende Todesursache und weitere Details. Dies hat auch damit zu tun, dass die Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg bis heute aus gutem Grund mit Details geizt.

Sollte doch noch ein Verdächtiger gefunden werden, kann das sogenannte Täterwissen entscheidend sein, um ihn zu überführen. Dabei geht es um Details der Taten, die nie den Weg in die Massenmedien gefunden haben und die also außer den Beamten nur ein Täter haben kann. Über die Beweggründe des Täters ist nicht nur wegen der Brutalität beider Doppelmorde gerätselt worden, sondern auch wegen seiner Dreistigkeit. Die zweite Doppeltat geschah schließlich im gleichen Waldstück, während die Beamten nur wenige Hundert Meter weiter aktiv waren.

Den Wagen der ersten Opfer parkte er Tage nach der Tat in der Nähe des Bahnhofs von Winsen. Und auch den Personenwagen der beiden späteren Opfer hat er offenkundig noch eine Woche gefahren, bevor er ihn in Bad Bevensen stehen ließ. Beide Fundorte der Autos liegen in unmittelbarer Nähe der Bahnstrecke Hannover–Hamburg.

Neben den Autos stahl er bei beiden Doppeltaten auch noch Gegenstände wie ein Fernrohr oder eine Sofortbildkamera, von einem klassischen Raubmord aber geht die Polizei bis heute nicht aus. Ob der Mann nun gefühlskalt oder geisteskrank war, ob er ein Einzelgänger ist und blieb, es sind bis heute nur Mutmaßungen möglich.

Die Taten wurden abgeglichen mit den Patienten von Landeskrankenhäusern, auch die Gäste aller in der Nähe liegenden Hotels und Pensionen wurden unter die Lupe genommen. Ohne Erfolg. Und auch die erste heiße Spur brachte nichts: Im britischen Wales starb im Juni 1989 das Ehepaar Dixon unter ähnlich brutalen Umständen, die ersten Beschreibungen von Zeugen wiesen eine deutliche Ähnlichkeit zum Phantombild aus Deutschland auf.

Erst 2009 konnte die Polizei in England einen Verdächtigen anhand von DNA-Spuren festnehmen, der dann auch rechtskräftig verurteilt wurde. Aber es gab keine verwertbaren Anhaltspunkte, dass er auch der „Göhrde-Mörder“ war. 1989 und noch einmal 1990 wurde der Fall in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ thematisiert. Fast 2000 Spurenakten hat die Polizei im Laufe der Jahre abgearbeitet, bis heute werden die umfangreichen Akten immer wieder in die Hand genommen. Die meisten Beamten allerdings, die sich Jahrzehnte immer wieder in den Fall verbissen haben, sind inzwischen in Pension. Aufhören, so versichert es zum traurigen Jubiläum Kai Richter, Pressesprecher der Polizeidirektion, wird man nicht: „Wir geben die Hoffnung nicht auf, ihn doch noch zu fassen.“ Die Polizeiinspektion steht auch noch im Kontakt mit der Tochter eines der Opfer.

Und dann gibt es da noch eine Chance, auch nach 25 Jahren noch auf eine heiße Spur zu stoßen. Teil der Spurenakte sind zwei Haare, die in einem der beiden gestohlenen Wagen sichergestellt wurden und weder den Opfern noch ihrem Umfeld zugeordnet werden konnten. Polizeisprecher Richter will sich nicht festlegen, aber „vielleicht schon in naher Zukunft“ will die Polizei diese Haare in einem österreichischen Institut analysieren lassen, das darauf spezialisiert ist, die DNA auch in Haaren ohne Wurzeln zu bestimmen. Im Tatjahr 1989 stand die DNA-Analyse noch ganz am Anfang, aber inzwischen gibt es Hunderttausende von DNA-Proben in der Datenbank der deutschen Polizei. In Vergessenheit geraten wird der doppelte Doppelmord aber auch deshalb nicht, weil er in 25 Jahren Tausende von Menschen auf der Internetplattform www.allmystery beschäftigt hat. Da wird spekuliert, um Details gestritten, und am Ende bleibt dann meistens doch nur die Hoffnung, dass der Täter sich stellt – wenn er noch lebt.