Kieler Landesplanung favorisiert aus Lärmschutzgründen neues Doppelgleis im Landesinneren. Küstenorte erleichtert

Kiel. Die Ostseebäder in der Lübecker Bucht bleiben in Zukunft frei von Zugverkehr und Zuglärm. Das Land Schleswig-Holstein will die Bäderbahnstrecke stilllegen und ein neues Doppelgleis zwischen Lübeck und Puttgarden bauen lassen. Es soll weitestgehend entlang der A1 verlaufen. Das ist die Konsequenz aus dem Raumordnungsverfahren (ROV) zur Schienenanbindung des geplanten Fehmarnbelt-Tunnels, der die Insel Fehmarn mit Dänemark verbinden soll. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) stellte die Ergebnisse am Dienstag in Kiel vor. Sie sind für die Bahn nicht bindend. Albig warnte allerdings davor, sie zu ignorieren. „Wir gehen davon aus, dass andere Trassenüberlegungen der Bahn nicht denkbar sind“, sagte er.

An der Ostseeküste wurde das ROV-Ergebnis mit Erleichterung aufgenommen. Joachim Nitz, der Kurdirektor von Timmendorf, sagte: „Wir sind froh, dass die Güterzüge nicht durch den Ort donnern.“ Reinhard Sager, der Landrat des Kreises Ostholstein, sagte: „Die Entscheidung stellt den Menschen in den Vordergrund – und damit den Lärmschutz. Es ist sehr positiv, dass zahlreiche Ortschaften umfahren werden sollen. Die Ostseebäder bleiben von erheblichem Lärmbelastungen verschont.“

88 Kilometer lang ist die eingleisige Bahnstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden. Für den Verkehr, der nach dem Bau der Belttunnels erwartet wird, ist sie nicht leistungsfähig genug. Der Bund hat sich deshalb vertraglich verpflichtet, die Bahnlinie Lübeck–Puttgarden bis zur Tunneleröffnung im Jahr 2022 zu elektrifizieren. Spätestens sieben Jahre danach soll sie dann zweigleisig ausgebaut sein. Aber an welcher Stelle wird die Bahn Ostholstein durchschneiden? Diese Frage sollte im Raumordnungsverfahren im Grundsatz geklärt werden. Die Details müssen dann in einem Planfeststellungsverfahren geregelt werden, das vermutlich im kommenden Jahr starten wird.

Die Bahn hatte zunächst den Ausbau der Bestandsstrecke favorisiert. Doch in den Ostseebädern regte sich rasch Protest. Mit täglich 140 Zugfahrten rechneten die Planer, davon 80 Güterzüge. An der Küste wuchs die Sorge, dass dies dem Tourismus schaden könnte. Viele Bürgermeister machten sich deshalb für einen Streckenneubau im Landesinneren stark, am besten entlang der A1. Im Juni vergangenen Jahres lenkte der Bahnchef Rüdiger Grube ein. Nach einer Fahrt mit der Bäderbahn sagte er in Timmendorf: „Wir wollen die bestmögliche Lösung für die Hinterlandanbindung des Fehmarnbelt-Tunnels. Deshalb werden wir zusätzlich die 2-plus-1-Variante ins Raumordnungsverfahren mit aufnehmen.“

„2 plus 1“ bedeutete: Neubau zweier Gleise entlang der Autobahn und Erhalt der eingleisigen Bäderbahn. Der letzte Punkt war aus Sicht der Landesplanungsbehörde, die für das Raumordnungsverfahren zuständig ist, nicht zu halten.

„Niemand kann garantieren, dass über die Bäderbahn dann nicht doch irgendwann Güterzüge fahren“, sagte Ministerpräsident Albig. „Eisenbahnrechtlich wäre das nicht zu verhindern.“ Die einzige Garantie sei die Stilllegung der Strecke.

Ministerpräsident Albig dankte den Bürgern für ihre Beteiligung

Im Übrigen bedeute dies nicht, dass die Ostseebäder per Bahn nicht mehr erreichbar seien. „Der neue Timmendorfer Haltepunkt wird etwa zwei Kilometer weiter im Landesinneren liegen als der bisherige“, so Albig. Bei anderen Badeorten wie Sierksdorf oder Haffkrug sei der Unterschied noch geringer. Die jetzt vorgeschlagene Trasse sieht, wie das Abendblatt bereits am Dienstag berichtet hatte, auch Umfahrungen für Ratekau, Lensahn und Großenbrode vor. „Für uns stand dabei der Lärmschutz im Mittelpunkt“, sagte Torsten Albig.

Das Raumordnungsverfahren sei mit 8300 Einwendungen das umfangreichste gewesen, das die Landesplanungsbehörde jemals durchgeführt habe. Er dankte den Bürgern für ihre Beteiligung – und rief dazu auf, sich jetzt nicht zurückzulehnen. Das Planfeststellungsverfahren, das die Bahn jetzt beantragen werde, eröffne weitere Beteiligungsmöglichkeiten. „Es lohnt sich, sich einzubringen“, sagte Albig.

Es war wohl die Aufforderung, die Bahn in die richtige Richtung zu lenken. Sie wird nun erst einmal die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens studieren müssen. Die Unterschiede zu den ursprünglichen Vorstellungen der Bahn sind erheblich. Bei einem Ausbau der Bestandsstrecke müssten nur rund ein Drittel der 88 Kilometer komplett neu errichtet werden, nun sind es 55 Kilometer – also fast zwei Drittel der Strecke.

Die Kosten für den Bau der neuen Strecke liegen bei einer Milliarde Euro

Führt das zu Kostensteigerungen? Frank Nägele, der Staatssekretär im Landesverkehrsministerium, verneinte das. Die Kosten liegen wohl bei rund einer Milliarde Euro.

Allerdings macht es bei einer größtenteils neuen Bahnlinie keinen Sinn, erst ein Gleis und sieben Jahre später ein zweites zu bauen. Der gesamte Preis würde also bis 2022 gezahlt werden müssen. Albig sagte deshalb: „Die Bahn wäre gut beraten, diese Kosten jetzt umgehend gegenüber dem Bund anzumelden.“