Die Uni Lübeck würdigt die Ex-Bildungsministerin, der ihr akademischer Grad gerichtlich aberkannt wurde

Lübeck. Am kommenden Freitag, 11. April, wird im Audimax der Universität Lübeck eine Lobrede gehalten. Sie gilt einer Frau, die vor noch gar nicht allzu langer Zeit etwas zu sagen hatte in Deutschland. Der Universitätspräsident wird ihr am Ende eine Urkunde überreichen, die sie zur Ehrendoktorin macht. Und die 250 Gäste, die das alles verfolgen, werden sich so ihre Gedanken machen. Kann man der ehemaligen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) angesichts der Tatsache, dass sie eine verurteilte Doktorarbeitsfälscherin ist, wirklich diesen universitären Ehrentitel verleihen?

Die Antworten auf diese Frage fallen durchaus unterschiedlich aus. Ralf Stegner, Chef der SPD-Fraktion im Kieler Landtag, sagt: „Eine Politikerin, der wegen Plagiatsvorwürfen der Doktortitel aberkannt wurde, erhält in Lübeck die Ehrendoktorwürde – das ist schon skurril.“ Daniel Günther, hochschulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sagt hingegen: „Die Ehrendoktorwürde ist hoch verdient, weil Frau Schavan sich um die Wissenschaft an der Universität Lübeck verdient gemacht hat.“ Die Aberkennung des Doktortitels sei „überhaupt kein Problem“.

Vielleicht ist das wirklich so. Dennoch haben Schavans Probleme mit ihrer 33 Jahre alten Promotion die Universität Lübeck – um es vorsichtig auszudrücken – in eine gewisse Verlegenheit gebracht. Seit zwei Jahren schon muss sich Universitätspräsident Peter Dominiak immer wieder mit der Frage beschäftigen: Wann überreichen wir jetzt diese Urkunde? Und wann besser nicht?

Im Januar 2012 sah das alles noch ganz anders aus. Die Uni beschloss, die damalige Bildungsministerin zu ehren. Schließlich hatte Annette Schavan 2010 dazu beigetragen, dass die medizinische Fakultät der Uni nicht geschlossen wurde. Die damalige CDU/FDP-Landesregierung hatte das geplant – und mit diesen Plänen in Lübeck einen Proteststurm ausgelöst. Die „Uniretterin“ ehren – das war Anfang 2012 ein nachvollziehbarer Gedanke.

Doch dann kam die Landtagswahl im Mai 2012 dazwischen. Schavan hatte eigentlich im April geehrt werden sollen, doch manch einer vermutete, dass die CDU aus dem Festakt für die CDU-Bildungsministerin Kapital schlagen könnte. Also verschob die Universität die Übergabe der Urkunde – auf den April 2013.

Doch im Februar 2013 entzog die Universität Düsseldorf der Ministerin den Doktortitel wegen vorsätzlicher Täuschung. Die konterte mit einer Anfechtungsklage. Frau Schavan mitten in diesen Rechtsstreit hineinzulobpreisen, hielt man in Lübeck für keine gute Idee. Also verschob die Uni die Übergabe der Urkunde erneut – bis nach dem Urteil über Schavans Klage.

Am 20. März wurde es gesprochen. Es bestätigte ziemlich klar die Entscheidung der Düsseldorfer Uni. Simone Feuerstein, Vorsitzende Richterin des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, sprach von 60 „Täuschungsbefunden“ in der Doktorarbeit mit dem sperrigen Titel „Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“. Schavan bestritt erneut den Vorwurf der Täuschung – und ließ verlauten: „Wenn die schriftliche Fassung der Urteilsbegründung vorliegt, werde ich mit meinem Anwalt über das weitere Vorgehen beraten.“

Der Rechtsstreit ist also möglicherweise noch nicht zu Ende. Dennoch will die Uni jetzt endlich ihre Urkunde loswerden. Am kommenden Freitag, während des Jahresempfangs, soll das Papier überreicht werden. Laudator ist allerdings nicht der Universitätspräsident Peter Dominiak. Diese Aufgabe übernimmt Heyo K. Kroemer, Dekan der Universitätsmedizin Göttingen. Kroemer kennt Schavan von früher. Bis 2012 war der Pharmakologe Dekan der medizinischen Fakultät der Uni Greifswald. Schavan hatte 2008 dafür gesorgt, dass die Uni ein 17,3 Millionen Euro teures Zentrum für Arzneimittelforschung bekam. „Das ist ein guter Tag für Greifswald“, hatte Kroemer damals gesagt. Inwieweit er erklären könnte, warum der 11. April ein guter Tag für Schavan oder gar für die Universität Lübeck sein könnte, bleibt unklar. 2010, als in der Hansestadt die Bürger, die Studenten und die Professoren für den Erhalt ihrer Uni auf die Straße gingen, saß er in Greifswald. Wird es eine Lobrede nach Hörensagen?

Rüdiger Labahn, der Pressesprecher der Universität Lübeck, erklärt die Wahl des Laudators so: „Wir wollen ja gerade den Eindruck relativieren, dass es bei der Ehrung ausschließlich um die Uni Lübeck gegangen sei.“ In der Tat hieß es 2012 in der Begründung für die Vergabe des Ehrendoktortitels unter anderem, diese erfolge „in Würdigung der besonderen Verdienste, die sich Ministerin Schavan um die medizinische Wissenschaft erworben hat“.

So ist es dann wohl. „Man sollte es jetzt hinter sich bringen“, sagt Thomas Rother, SPD-Landtagsabgeordneter aus Lübeck. Beim Jahresempfang spielt die Big Band Salt Peanuts.