Drei Männer bewerben sich am Sonntag in der Landeshauptstadt um die Nachfolge der gescheiterten Susanne Gaschke. Nach der Papierform, wie die Fußballer sagen, müsste der SPD-Kandidat das Rennen machen.

Kiel. Es ist wieder so weit. Kiel sucht einen neuen Oberbürgermeister. Im November 2012 hatten sich die Wähler in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt zuletzt diesem Vorhaben gestellt – und waren dabei nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Susanne Gaschke, die SPD-Kandidatin, ging zwar in der Stichwahl mit gut 54 Prozent als klare Siegerin durchs Ziel, musste aber nach einer Amtszeit von noch nicht einmal einem Jahr zurücktreten. Ursache: Der vermutlich rechtswidrige Steuerdeal mit dem Augenarzt Detlef Uthoff. Der Rücktritt war ein quälend langer Prozess mit einem Knalleffekt am Ende: Gaschkes Wutrede über „Testosteron-gesteuerte Politik- und Medientypen“. Die brave Landeshauptstadt Kiel stand plötzlich im Blickpunkt der großen überregionalen Zeitungen und Nachrichtenmagazine.

Das war im vergangenen Oktober. Das Gefühl sagt: Es ist schon viel länger her. Von Gaschke ist nichts mehr zu hören, das gilt auch für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen sie. Drei männliche Oberbürgermeisterkandidaten, über deren Testosteronspiegel keine Erkenntnisse vorliegen, stehen jetzt im Mittelpunkt des Interesses. Am kommenden Sonntag sind 197.431Wahlberechtigte aufgerufen, eine Entscheidung zu treffen. Wer wird neuer Oberbürgermeister der Landeshauptstadt: Stefan Kruber (CDU), der auch von der FDP unterstützt wird, Ulf Kämpfer (SPD), der auch auf Rückendeckung von Grünen und SSW zählen kann, oder der Einzelbewerber Detlef Hackethal?

Nach der Papierform, wie die Fußballer sagen, müsste der SPD-Kandidat das Rennen machen. Kiel ist traditionell SPD-Land. Der einzige Erfolg der Christdemokraten datiert aus dem Jahr 2003. Damals wurde mit Angelika Volquartz erstmals eine Frau Verwaltungschefin in Kiel. 2009 unterlag sie gegen Torsten Albig (SPD), der 2012 Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein wurde. Kruber, der CDU-Kandidat, versucht nun, aus den vorzeitigen Abgängen von Albig und Gaschke Kapital zu schlagen. Der Posten des Oberbürgermeisters sei sein „absoluter Traum“, sagt der 37-Jährige – und verspricht im Wahlkampf halb scherzhaft, nahezu ewig im Amt bleiben zu wollen. „Bis 67 schaffe ich fünf Amtsperioden“, sagt der Rechtsanwalt.

Anders als Kruber, der derzeit CDU-Fraktionschef in der Kieler Ratsversammlung ist und sich in der Kommunalpolitik bestens auskennt, ist sein Kontrahent Ulf Kämpfer, 41, ein Kieler Neuling. Der Staatssekretär im Umweltministerium wohnt zwar in der Fördestadt, ist dort aber kommunalpolitisch noch nicht in Erscheinung getreten.

Mit dieser Feststellung ist der wesentliche Unterschied zwischen den beiden aussichtsreichsten Bewerbern auch schon genannt. CDU und SPD haben sich in Kiel für ähnliche Typen entschieden. Kämpfer und Kruber sind Juristen, sie sind Familienväter, vergleichsweise jung und eher einem konsensualen Führungsstil zugeneigt. Sogar die Plakate ähneln sich. Kruber wirbt mit dem Spruch „Aus Liebe zu Kiel“, Kämpfer fordert „Mehr Kiel“ – was die Liebe zu Kiel zweifellos voraussetzt.

In wichtigen politischen Fragen unterscheiden sie sich nur in Nuancen. Beide haben Vorbehalte gegen den Bau einer Stadtregionalbahn, die Kiel mit den Umland-Kommunen verbinden soll. Kruber sagt deutlicher als Kämpfer, dass er das Projekt ablehnt. Beide haben Vorbehalte gegen den sogenannten „Kiel-Kanal“, einen der Untoten der Kieler Kommunalpolitik. Bei dem Millionenprojekt, über das seit Jahren debattiert wird, handelt es sich nicht etwa um einen neuen Schifffahrtsweg, sondern um eine Marketingmaßnahme für einen unter Leerständen leidenden Innenstadtbereich in der Nähe des Rathauses. Kruber lehnt dieses „Wasserbecken an zugiger Stelle“ klarer ab als Kämpfer.

Beide sind auch für den Bau einer Möbel-Kraft-Filiale auf einem ehemaligen Kleingartengelände in Sichtweite von Ikea. 60 Millionen Euro will das Segeberger Unternehmen investieren, 300 Arbeitsplätze sollen entstehen. Eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen den Bau. Sie hat einen Bürgerentscheid herbeigeführt, über den am Sonntag ebenfalls abgestimmt wird.

Der Kampf gegen Möbel Kraft ist das wichtigste Thema des dritten Oberbürgermeisterkandidaten. Detlef Hackethal, 59, ist Lerntherapeut und Mitglied der Linken. Mit seiner Partei hat er sich zerstritten. Sie wollte keinen eigenen Kandidaten aufstellen. Hackethal hat daraufhin auf eigene Faust Unterschriften gesammelt und ist als Einzelbewerber an den Start gegangen. Die Linke hat ihn umgehend abgestraft, indem die Partei ihm den Posten des Kreisvorsitzenden genommen hat.

Ob die Kraft-Gegner auch gleich beim OB-Kandidaten Detlef Hackethal ihr Kreuz machen, ist eine der spannenderen Fragen des Wahlabends. Sollte er auf eine nennenswerte Zahl von Stimmen kommen und damit verhindern, dass einer der beiden anderen Bewerber die absolute Mehrheit erhält, würde das eine Stichwahl erforderlich machen. Am 6.April wäre es dann wieder so weit: Kiel sucht einen neuen Oberbürgermeister.