Eine Autobahnüberführung speziell für Wildtiere. Das Problem: Sie leitet Rehe auf eine Kreisstraße. Jäger alarmiert.

Kreis Segeberg. Als die Behörden nicht reagierten, griffen die Jäger selbst zum Spaten. „Hirschwechsel – Gefahr auf 2,5 km“ steht auf dem leuchtend orangefarbenen Schild, das die Männer bei Strukdorf (Kreis Segeberg) im Boden des Grünstreifens an der Kreisstraße 115 verankert haben. „Irgendwann gibt es hier Tote“, sagt Wilfried Henck. „Das wollen wir verhindern.“ 16 Wildunfälle binnen zwölf Monaten haben die Jäger auf der Straße gezählt und sie wissen auch, woher die Tiere gekommen sind: ausgerechnet von der Wildschutzbrücke, die wenige 100 Meter entfernt über die Autobahn 20 führt.

2,5 Millionen Euro hat das Bauwerk gekostet, das Rehen, Wildschweinen und anderen Tieren einen sicheren Weg über die Autobahn bieten soll. Haben sie die A 20 überquert, stehen sie an der Kreisstraße und müssen sie überqueren, um ihren Weg ins Grüne fortsetzen zu können. Erfolglos hatten die Strukdorfer vor dem Bau der Querung im Jahr 2007 gefordert, die Brücke ein paar 100 Meter zu versetzen, sodass sie die Kreisstraße gleich mit überspannt.

„Die Brücke können wir jetzt nicht mehr versetzen“, sagt der Strukdorfer Hans Peter Sager, Naturschutzbeauftragter des Kreises Segeberg und ebenfalls Jäger. „Aber wir können dafür sorgen, dass hier keine Unfälle mehr passieren.“ Er habe die Verkehrsaufsicht der Kreisverwaltung aufgefordert, „riesige“ Warnschilder aufzustellen, um die Autofahrer auf die Gefahren des Wildwechsels hinzuweisen. Außerdem wollen die Jäger ein Tempolimit durchsetzen. Zehn Rehe, zwei Damhirsche und zwei Wildschweine sind dem Autoverkehr in einem Jahr zum Opfer, sagen die Jäger.

In den kommenden Jahren könnten die Risiken sogar noch wachsen, da die Grünflächen an der K 115 mit Büschen und Bäumen bepflanzt worden sind. Irgendwann stehe das Grün am Fahrbahnrand so hoch, dass ein Autofahrer die Tiere nicht rechtzeitig erkennen kann, meinen Henck und Sager.

Außerdem wollen Henck und Sager verhindern, dass beim Bau weiterer Wildschutzbrücken in Schleswig-Holstein erneut die Tiere auf die nächste Kreisstraße gelenkt werden. Drei neue Überführungen sollen entstehen, sobald der Bau der A 20 westlich von Bad Segeberg fortgesetzt wird. „So ein Blödsinn darf nicht noch einmal passieren“, sagt Sager.

Die Behörden bezweifeln jedoch, dass große Gefahren auf der Kreisstraße 15 lauern. Der Polizei wurden zwischen dem 1. Juni 2012 und dem 15. März 2014 nur vier Unfälle in dem Bereich gemeldet. „Das ist sehr wenig“, sagt Polizeisprecherin Sandra Barenscheer. Alle Autofahrer hätten die Kollision unbeschadet überstanden. Barenscheer: „Das ist kein Unfallschwerpunkt.“

Ähnlich bewertet Michael Krüger, Leiter der Verkehrsaufsicht beim Kreis Segeberg, die Situation. Zwar hält auch er die Nähe der Wildbrücke zur Kreisstraße für „etwas schildbürgermäßig“, doch Schilder mit Warnungen vor Wildwechsel will er erst aufstellen lassen, wenn es zu einer Häufung der Unfälle kommt. Bislang habe die Gemeinde jedoch keine Zahlen geliefert. „Uns liegen keine Informationen über Unfälle vor“, sagt Krüger. Die Voraussetzung für die Aufstellung einer Wildwechseltafel sind erst erfüllt, wenn es binnen zwölf Monaten zu sechs Wildunfällen auf einer 1000 Meter langen Strecke kommt.

„Wir wussten nicht, dass wir die Zahlen übermitteln müssen“, sagt Jäger Wilfried Henck dazu. Er und seine Jagdkameraden werden stets informiert, sobald Wild mit einem Fahrzeug kollidiert ist. Henck will ab sofort jeden Unfall der Kreisverwaltung melden.

Der Landesverband des Bunds der Steuerzahler hatte bereits 2007 in seinem Schwarzbuch den Standort der Brücke neben der Kreisstraße kritisiert und auf den drohenden Wildwechsel hingewiesen. Jens Sommerburg vom Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr in Lübeck ist hingegen auch heute noch der Ansicht, richtig entschieden zu haben. Die Wildüberführung an anderer Stelle zu bauen, hätte zu „massiven Eingriffen“ in einen ökologisch wertvollen Wald und in einem Feuchtgebiet geführt.

Die Brücke an ihrem Standort liege an einem Fernwildwanderweg und werde von vielen Tieren genutzt. Wäre sie an anderer Stelle inklusive einer Überführung über die Kreisstraße gebaut worden, wären die Investitionen mindestens um eine Million Euro höher ausgefallen. „Das wäre auch ein Grund für die Kritiker gewesen, sich zu Wort zu melden“, sagt Sommerburg.

Besondere Gefahren für Wild und Autofahrer hat er auf der Kreisstraße nicht entdeckt. Gerade mal 2000 Fahrzeuge sind dort täglich unterwegs. Sommerburg: „Die Unfallzahlen sind verschwindend gering.“