Bundesumweltministerin Barbara Hendricks besucht das Endlager Asse und ist so ratlos wie ihre Vorgänger. „Die Asse ist eine Herausforderung auch noch für die nächste Generation.“

Remlingen. Für ihre Schutzheilige Barbara haben die Bergleute ein kleines Altärchen in das Salz gehauen, fast achtlos sind Sigmar Gabriel, Norbert Röttgen und Peter Altmaier an der kleinen Holzfigur vorbeigehastet. Am Dienstag war nun Barbara Hendricks(SPD) zu Gast, schließlich gehört es zum guten Ton in Deutschland, dass sich jeder neue Bundesumweltminister in bis zu 700 Meter Tiefe unter Tage selbst ein Bild macht von den desaströsen Zuständen im ehemaligen Salzbergwerk und völlig missglückten Atomendlager Asse bei Wolfenbüttel.

Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) schon seit 1999, sagte einmal mehr das, was er beim Besuch seiner obersten Chefs seither immer litaneiartig vorträgt: Eigentlich war die Asse von Anfang an völlig ungeeignet als Endlager, eigentlich müssten die 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Müll schleunigst wieder raus, weil die im Atomgesetz geforderte Langzeitsicherheit der Lagerung nicht gewährleistet werden kann. Aber weil seit 1998 täglich rund 12.000 Liter Wasser eindringen, kann es jederzeit passieren, dass das Bergwerk unkontrollierbar absäuft. Das Fazit des BfS-Präsidenten: „Die Asse ist das Sinnbild des Scheiterns der Endlagerung.“ Die neue Ministerin hat sich selbstverständlich im Vorfeld schlau gemacht. Das Gespräch mit den besorgten Anwohnern aus Remlingen und Umgebung, zusammengeschlossen in der Begleitgruppe Asse, gehört schließlich ebenfalls zur Routine des Besuchs, Trommeln und Plakate inklusive. Weswegen die Ministerin noch einmal die grundsätzliche Entscheidung für die Rückholung bestätigt, aber eben auch hinzusetzt, dass es dauern wird, weil schließlich auch die Sicherheit der Bergleute gewährleistet sein muss. Unter Tage hat sie sich wie alle ihre Vorgänger angesehen, wie kompliziert schon die seit anderthalb Jahren laufenden Probebohrungen sind, die zeigen sollen, ob man später in großem Stil Bohrungen setzen kann, um herauszubekommen, wie und wo und in welchem Zustand der Abfall vor allem aus Atomkraftwerken in den Einlagerungskammern zu finden ist – man hat das damals zwischen 1967 und 1978 nicht so genau genommen mit der Dokumentation des angelieferten und in der Tiefe verstauten Fässern und Betongebinde. Immer vorausgesetzt, das marode Bergwerk säuft nicht ab, peilen die Experten inzwischen das Jahr 2033 an, um mit der Rückholung zu beginnen. Die Ministerin hat nachgerechnet und klingt fast erleichtert: „Dann bin ich 81 und nicht mehr im Amt.“ Ihre Sicht der Dinge: „Die Asse ist eine Herausforderung auch noch für die nächste Generation.“

Was wiederum die Anwohner in Remlingen und darüber hinaus auf die Barrikaden treibt, sie wollen Taten sehen. Immerhin: Im vergangenen Jahr hat der Bundestag mit breiter Mehrheit eine Lex Asse beschlossen, die für die angelaufenen Arbeiten die Bestimmungen des Atomgesetzes aufweicht, weil es sonst überhaupt keine Chance gäbe, das Problem anzupacken.

Ins Schwitzen aber geriet die neue Bundesumweltministerin Hendricks nicht nur wegen der hohen Temperaturen unter Tage und der Bergmannskluft. Per „Morgenmagazin“ im ZDF hatte ihr bei der Anfahrt nach Wolfenbüttel der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) noch einmal klargemacht, dass es im Bereich der Atommüllendlagerung nur so wimmelt von Problemen. Niedersachsen, so Weils Botschaft, wird notfalls die gerade erst beschlossene Atommüll-Kommission torpedieren, wenn der Bund nicht abrückt von der Personalie Ursula Heinen-Esser (CDU). Die soll nach dem Willen der Großen Koalition den Vorsitz der Kommission übernehmen für die neue ergebnisoffene Suche nach einem Endlager für den hoch radioaktiven Müll – ausdrücklich auch als Alternative zum Standort Gorleben.

Wenige Kilometer von der Asse wird am Ausbau von Schacht Konrad gearbeitet

Heinen-Esser aber ist dafür als frühere Staatssekretärin im Bundesumweltministerium zu schwarz-gelben Regierungszeiten vor allem aus der Sicht der Atomkraftgegner und ihrer Verbände denkbar ungeeignet. Und die in Niedersachsen mit nur einer Stimme Mehrheit regierende rot-grüne Landesregierung wiederum kann es sich nicht erlauben, mit den Atomkraftgegnern über Kreuz zu geraten, weil der Widerstand gegen ein Endlager Gorleben grünes Herzblut ist und sogar mehr zählt als die Regierungsbeteiligung.

Und noch ein Problem: Nur wenige Kilometer von der Asse entfernt wird fieberhaft gearbeitet am Ausbau des ehemaligen Erzbergwerks Schacht Konrad in Salzgitter als Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle. Bislang trägt allein Niedersachsen die Lasten der Endlagerung.