Forscher aus Großhansdorf helfen den Behörden dabei, den Handel mit Ware aus illegalem Einschlag einzudämmen. 50 Baumarten können die Holzdetektive schon genau bestimmen.

Großhansdorf. Lasse Schindler mustert das Stück Eichendiele, das vor ihm auf der gläsernen Arbeitsplatte liegt. Sein Blick verrät Neugier. Für viele ist es nur ein Stück Holz. Dem 32-Jährigen aber kann es eine Geschichte erzählen, die womöglich so spannend ist wie ein guter Kriminalroman. Lasse Schindler, der Biochemiker, ist Holzdetektiv. Sein Arbeitgeber: das Thünen-Institut für Forstgenetik in Großhansdorf (Kreis Stormarn), eine Bundesforschungsanstalt. Wo war der Baum gewachsen, aus dessen Stamm die Diele geschnitten wurde? „Das ist die Frage“, sagt Schindler. Ein Holzdetektiv kann sie beantworten – „und zwar für viele Arten schon weltweit bis auf einen Radius von 50 Kilometern genau.“

Mit ihrer Expertise leisten seine Kollegen und er Tag für Tag ihren Beitrag, den weltweiten Handel mit illegal geschlagenem Holz ein Stück weit einzudämmen. Die Einfuhr solchen Holzes in die Europäische Union ist erst seit weniger als einem Jahr offiziell verboten. Das besagt die am 1. März vergangenen Jahres in Kraft getretene EU-Holzhandelsverordnung, die mit dem sogenannten Holzhandels-Sicherungs-Gesetz gut zwei Monate später ihren Niederschlag auch im deutschen Recht gefunden hat. Wer dagegen verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen, womöglich sogar mit einer Strafanzeige. „Bisher gab es keine solche Regelung“, sagt Barbara Moitz von der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE). Die Behörde mit Sitz in Bonn muss sicherstellen, dass das Verbot auch eingehalten wird. Dabei setzt sie auf das Know-how der Holzdetektive.

Deren Hauptquartier liegt mitten im Wald, ziemlich genau auf der Grenze zur Kleinstadt Ahrensburg. „Wir können in unseren Labors kleinste genetische Unterschiede sichtbar machen“, sagt Bernd Degen, der Chef. Mit anderen Worten: Holzproben werden in seinem Haus einem Gentest unterzogen. Das Verfahren ist noch relativ neu und weltweit einzigartig. Dank der EU-Holzhandelsverordnung steigt die Nachfrage rasant. Im vergangenen Jahr haben die Holzdetektive 160 Proben untersucht. Degen: „Und für dieses Jahr haben wir schon jetzt 2000 Anfragen.“

Viele kommen von der BLE. „Wer Holz oder Holzerzeugnisse in die EU einführt, muss das Risiko ausschließen, dass die Ware aus illegalem Einschlag stammt“, sagt BLE-Sprecherin Moitz. Die Behörde kontrolliert die Lieferpapiere. Erscheint das Niedergeschriebene nicht glaubhaft oder schlüssig, ziehen Außendienstmitarbeiter eine Probe. Manchmal machen sie das auch verdachtsunabhängig.

In diesen Fällen ist die große Stunde der Großhansdorfer Holzdetektive gekommen. Sie können dann ohne jeden Zweifel beispielsweise klären, ob die „sibirische Lärche“ – hierzulande im Terrassenbau gefragt – wirklich aus Sibirien stammt oder nicht doch aus der Grenzregion zwischen Russland und China; dort wird Lärchenholz oft illegal geschlagen. Ob die amerikanische Eiche tatsächlich amerikanische oder nicht doch mongolische Eiche ist. Und ob das Tropenholz auf einer Plantage oder doch im Regenwald gewachsen ist. Bis jetzt, so eine erste Bilanz, hat es so gut wie keine Beanstandungen gegeben.

50 Baumarten können die Holzdetektive schon genau bestimmen. „Und jedes Jahr kommen etwa 20 weitere hinzu“, sagt Institutsleiter Degen. Seine Mitarbeiter gucken sich pro Art 120 bis 240 einzelne Gene an. Mit einem jeden für sich genommen lässt sich der Standort eines Baumes auf einer Landkarte aber nur auf einige Hundert Kilometer genau darstellen. Alle Landkarten übereinandergelegt ermöglichen dann eine sehr präzise Bestimmung. Die Referenzproben haben die Wissenschaftler gemeinsam mit Partnern vor Ort in jahrelanger Arbeit eingesammelt. „Am besten lässt sich DNA aus der Schicht zwischen Rinde und Holz gewinnen“, erklärt Degen.

In Großhansdorf besteht die Herausforderung darin, Genmaterial aus totem Holz zu gewinnen. Erster Schritt: Kleinholz machen. Lasse Schindler hat sich einen weißen Kittel angezogen und blaue Latexhandschuhe übergestreift. Mit einem sterilisierten Skalpell macht er sich an der Eichendiele zu schaffen. Sie stammt angeblich aus Nordamerika, das weiß er schon. Die Partikel, die er abschneidet, sind je zwei, vielleicht drei Millimeter lang – und ein Bruchteil dessen dünn. Später wird er daraus ein Pulver mahlen, dann folgt mittels eines chemischen Verfahrens der eigentliche Aufschluss der Zellen. „Wir suchen noch nach einem Weg, die Arbeitsschritte zu optimieren“, sagt Degen.

Sonst werde es für die Holzdetektive schon bald problematisch, der Auftragsflut Herr zu werden. Denn nicht nur die BLE, sondern auch ausländische Behörden, Naturschutzverbände und Holzhändler fordern Gutachten aus Großhansdorf an. Eine Untersuchung kostet etwa 400 Euro. Kürzlich hat das Institut sogar im Auftrag eines Antiquitätensammlers geprüft, ob ein angeblich mehr als 500 Jahres altes Bett aus seinem Fundus wirklich aus dem englischen Königshaus stammen könnte. Der Mann wollte dem Verdacht nachgehen, bei dem Material könnte es sich um nordamerikanische Eiche handeln. Die Holzdetektive fanden heraus: Die Eichen, aus denen ein Bett wurde, waren wirklich in Europa gewachsen.