In einem Werbevideo wirbt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig um junge Landesbedienstete. Denn der öffentliche Dienst hat ein gravierendes Nachwuchsproblem.

Kiel. Der Ministerpräsident hört sich ein klein bisschen so an wie Schnorrer Kalli vorm Edeka. Nur, dass er seine Kundschaft nicht wegen ihres Geldes angeht. Sondern wegen ihres Lebens: „Suchste ’ne Ausbildung?“, fragt Schleswig-Holsteins Regierungschef Torsten Albig in einem neuen landeseigenen Video kumpelhaft. „Haste schon mal drüber nachgedacht, die bei uns zu machen?“

Es folgen Lob und Preis der Arbeit im öffentlichen Dienst. Dort finde man einen Arbeitgeber, der wisse, „dass es auch aufs gute Geld ankommt“, wirbt Albig und lockt zugleich mit berufslebenslanger Fortbildung und familienfreundlichen Arbeitszeiten: „,Work-Life-Balance‘ – haste bestimmt schon mal gehört.“ Das könnte sein, der Begriff tauchte zuletzt vor allem im Zusammenhang mit der Regierungsbildung in Berlin immer wieder auf.

Jetzt aber genug mit der Spöttelei. Albigs Videoattacke auf Schleswig-Holsteins Jugendliche hat einen ernsten Hintergrund: 14.500 der rund 55.000 Landesbediensteten rücken in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand. Demgegenüber steht eine stetig sinkende Zahl von Schulabgängern. Um mehr als zehn Prozent sinkt die Zahl derer, die jährlich für eine Ausbildung infrage kommen, bis 2023.

Wer glaubt, dass sich die Besten von denen automatisch für den öffentlichen Dienst bewerben, der irrt“, sagt Albig und wirft sich mit seinem 112-sekündigen Filmchen in den Videobotschaftenverwertungskampf bei YouTube, Facebook und so weiter und so fort. Im Zweifel zeigt sich der Sozialdemokrat sogar zum Äußersten bereit: „Und bei mir im Büro gibt es auch einen Job.“

Die Bandagen, mit denen Wirtschaft und Verwaltung um die Führungskräfte von morgen ringen, dürften ja auch nicht nur im hohen Norden härter werden. Erst Ende vergangenen Jahres hatte der Deutsche Beamtenbund (DBB) vor einem gravierenden Nachwuchsmangel im öffentlichen Dienst gewarnt und ebenfalls eine Kampagne gestartet, mit der junge Menschen für die Arbeit beim Staat geworben werden sollen.

Unter dem Namen „Die Unverzichtbaren“ findet sich auf der Website alles, was das User-Herz begehrt: Blogs, Links, Downloads. Wallpapers und ein interaktiver Berufswahlhelfer, bei dem man sich zwischen Arbeit drinnen oder draußen, geistig oder körperlich, im Team oder selbstständig entscheiden darf. Nur ein Video fehlt auf den ersten Blick, aber da könnte jetzt ja Torsten Albig aushelfen.

Aus den Projektionen des Beamtenbundes ging hervor, dass der öffentliche Dienst in den kommenden 15 Jahren bundesweit rund eineinhalb Millionen Beschäftigte in den Ruhestand entlassen wird. Schon heute sei es insbesondere in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen schwierig, geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren.

So fehle es im Bereich der Lebensmitteltechnik und der Veterinäre an einer hinreichenden Zahl von Interessenten. „Wir müssen leider feststellen“, sagt DBB-Chef Klaus Dauderstädt, „dass die öffentlichen Dienstherren und Arbeitgeber mehrheitlich weit entfernt von einer nachhaltigen und professionellen Personalbedarfsplanung agieren.“

Ministerpräsident Torsten Albig hat Dauderstädts Kritik zumindest gehört. Allerdings muss er – wie übrigens alle anderen Vorgesetzten im öffentlichen Dienst – zugleich an einer ganz anderen Front kämpfen, die ihrerseits die Nachwuchswerbung immer schwieriger werden lässt: die Schuldenbremse in der Verfassung.

Insbesondere aber sind es die milliardenweise steigenden Pensionslasten, die Bund, Länder und auch die Gemeinden zu erheblichen Sparanstrengungen zwingen. Das ist eine absehbare Entwicklung, die der Attraktivität des öffentlichen Dienstes natürlich ebenso wenig dient wie die Aussicht auf die drohenden Einschnitte bei den Pensionsleistungen.