Reine Formsache: Die Wahl von Niedersachsens Ex-Ministerpräsidenten David McAllister ins Brüsseler Parlament gilt als sicher. Mit Spannung wird erwartet, ob Kanzlerin Angela Merkel ihn noch ein Stück weit adelt.

Hannover. Manchmal muss man gehen, um bleiben zu können: An diesem Sonnabend wird die Niedersachsen-CDU ihren früheren Ministerpräsidenten David McAllister zum Spitzenkandidaten für die Europawahl küren. Damit ist klar, dass er am 25. Mai 2014 ins Brüsseler Parlament einzieht. Dort kann er dann nach neuen Ämtern streben. Vor allem bleibt es ihm erspart, in der selbst gewählten Rolle des Hinterbänklers im Landtag tatenlos zuschauen zu müssen, wie die neuen Regierungsparteien SPD und Grüne fast alles anders und aus Sicht der CDU natürlich auch fast alles schlechter machen.

Klar ist: Auch im fernen Brüssel bleibt der erst 42-jährige Jurist McAllister die stärkste Persönlichkeit in der Landespartei – schließlich ist er Landesvorsitzender geblieben, und eine Alternative zu ihm ist weit und breit nicht in Sicht.

Auf dem ersten Parteitag nach der verlorenen Landtagswahl haben sie ihn gefeiert wie einen Sieger, und das hat ihm sichtlich gutgetan. Noch immer nämlich hadert er ein Stück weit mit dem Ergebnis vom 20. Januar, als CDU und FDP bestenfalls einige Tausend Stimmen fehlten, um die Macht zu verteidigen.

Nicht einmal die Tatsache, dass er mit einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Zweitstimmenkampagne zulasten eigener CDU-Pfründe und Mandate die FDP auf fast zehn Prozent hievte, hat ihm die Partei ernsthaft übel genommen. Ausbaden müssen es mit Aygül Özkan, Bernd Althusmann und Uwe Schünemann auch drei ehemalige Minister, die den Wiedereinzug in den Landtag verpassten. Die Landesliste kam damals nicht zum Zuge.

Immerhin: McAllister schmollt nicht mehr, hat stattdessen Französisch gepaukt, reist viel und oft diskret, trifft durchaus Spitzenpolitiker wie den britischen Außenminister William Hague und wird schon deshalb in Brüssel eine gute Figur machen, weil er als Halbschotte neben Deutsch auch fließend Englisch spricht. Die doppelte Staatsbürgerschaft und seine unbestrittene Eloquenz garantieren gewissermaßen den raschen Aufstieg des europapolitischen Newcomers.

Derzeit ist alles denkbar: eine Karriere in Brüssel, aber eben auch, dass die Landespartei ihn in etwa vier Jahren bittet, erneut Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2018 zu werden. McAllisters großer Vorteil dabei: Er kann in aller Ruhe abwarten, ob die CDU dann chancenreich ins Rennen geht. Die Bundestagswahl liegt dann nicht wenige Monate hinter der Landtagswahl, sondern wegen der kürzeren Legislaturperiode vor der Entscheidung in Niedersachsen. Mit seinen 42 Jahren könnte McAllister dann auch Nein sagen und auf Brüssel oder Berlin setzen.

Schon früher gab es Klagen, er meide strittige Entscheidungen

Mit Spannung wird erwartet, ob die CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel ihn noch ein Stück weit adelt: Es gibt in CDU-Kreisen Überlegungen, ähnlich wie die SPD mit Parlamentspräsident Martin Schulz mit einem eigenen herausgehobenen Spitzenkandidaten auf Bundesebene in die Auseinandersetzung zu ziehen. McAllister selbst hält sich wie fast immer bedeckt: „Die CDU wird die Frage eines möglichen Spitzenkandidaten zur Europawahl in den dafür zuständigen Gremien im nächsten Jahr entscheiden.“ Auch mit inhaltlichen Angaben über seine politischen Ziele in Brüssel geizt er. „Alles zu seiner Zeit“, wiegelt er die entsprechenden Fragen ab und verweist darauf, dass er ja auch als Ministerpräsident für die Europapolitik des Landes zuständig gewesen ist.

Er kann halt nicht aus seiner vorsichtigen Haut, schon in seiner Zeit als Regierungschef gab es Klagen aus seinem Umfeld, er sei zwar fit in allen Themenbereichen, aber meide strittige Entscheidungen und klare Positionierungen. Der CDU-Wahlkampf war dann vor dem 20.Januar 2013 fast amerikanisch – ganz auf die Person McAllister zugeschnitten. Aber ihm fehlte es an Kontur und dem Mut, etwa seinen Innenminister und Parteifreund Uwe Schünemann zu bremsen, der mit einer rigiden Ausländerpolitik die Menschen im Land gegen die Landesregierung aufbrachte.

Während die ehemalige Sozialministerin Özkan jetzt immerhin damit rechnen kann, als Nachfolgerin von McAllister nach der Europawahl im Mai in den Landtag zurückzukehren, übt McAllister fleißig für den neuen Job. Vergangene Woche ist er mit dem Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Björn Thümler, in Den Haag gewesen und hat dort vornehmlich mit christdemokratischen Freunden gesprochen.

Herausgekommen ist dann allerdings als Fazit wieder so ein Allgemeinplatz: „Um ihre gemeinsamen Chancen in Europa besser zu nutzen, sollten die Niederlande und Niedersachsen ihre gute Zusammenarbeit weiter intensivieren.“

Und was nun die hauchdünne Mehrheit von SPD und Grünen im Landtag angeht, so wartet es sich in Brüssel doch deutlich angenehmer auf den erhofften Zerfall des rot-grünen Bündnisses als in Reihe drei des Plenarsaals im Leineschloss von Hannover.