Der Kaltenkirchener Bürgermeister Hanno Krause hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Brief geschrieben und bittet um Zuschüsse für das Projekt.

Kaltenkirchen. Wer mit der Bahn von Kaltenkirchen über Henstedt-Ulzburg und Quickborn nach Hamburg fährt, braucht vor allem Geduld. Geduld, weil die Bahngesellschaft AKN immer noch mit jahrzehntealten Dieseltriebwagen unterwegs ist und die Fahrgäste in Eidelstedt umsteigen müssen, wenn sie in die Hamburger City fahren wollen. Geduld, weil frühestens 2020 eine moderne S-Bahn auf der Strecke fahren wird, die in anderen Landkreisen der Metropolregion längst zum Standard gehört.

So lange will der Kaltenkirchener Bürgermeister Hanno Krause (CDU) nicht warten: Er hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Brief geschrieben und bittet um Zuschüsse für das Projekt. Anfang Oktober hatte Krause bereits einen Brief mit ähnlichem Inhalt an die Regierungschefs von Hamburg, Olaf Scholz (SPD), und Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD), geschickt und gefordert, schon 2018 die ersten S-Bahnen auf der AKN-Trasse nach Kaltenkirchen rollen zu lassen. Die Landesregierungen sind nicht nur für die Planung zuständig, die Länder sind je zur Hälfte Eigentümer der AKN. Als Antwort erhielt der Bürgermeister die Nachricht, dass mit einer S-Bahn nicht vor 2020 zu rechnen sei.

100 Millionen Euro würde die S-Bahn nach Norden schätzungsweise kosten

Während in anderen Regionen seit vielen Jahren moderne Züge in die Metropole fahren, sitzen Fahrgäste der AKN in teilweise mehr als 40 Jahre alten Triebwagen. Klimaanlagen fehlen, die Züge sind nicht barrierefrei und stoßen aus den Motoren dunkle Rußwolken aus. 6,8 Millionen Menschen sind pro Jahr auf der Linie zwischen Eidelstedt, Kaltenkirchen und Neumünster unterwegs. Immer wieder haben Fachleute gewarnt, dass der AKN-Fuhrpark nicht mehr zeitgemäß ist und die Pendler das Umsteigen in Eidelstedt in Richtung Hamburg-City leid sind. Doch die beiden Bundesländer konnten sich jahrelang nicht zu Entscheidungen durchringen, wie es auf dem Schienenstrang nach Norden weitergehen soll.

Besonders Hamburg zeigte stets wenig Interesse und kümmerte sich vorrangig um die neue U-Bahn in die HafenCity und die Busbeschleunigung statt um die Pendlerströme, die aus Schleswig-Holstein kommen.

Im Jahr 2015 will die AKN auf ihrer Hauptstrecke nach Kaltenkirchen die ältesten Züge durch neue Dieseltriebwagen ersetzen, die nach Fertigstellung einer S-Bahn den Betrieb auf den Nebenbahnen übernehmen würden. Doch S-Bahn-Standard haben sie nicht, die Fahrgäste müssen auch weiter in Eidelstedt umsteigen.

100 Millionen Euro würde nach vorsichtigen Schätzungen die S-Bahn nach Norden kosten. Davon würden 50 Millionen auf die Elektrifizierung der Strecke und die Verlängerung der Bahnsteige entfallen. Den Rest müsste das Bahnunternehmen, das dort fahren wird, in neue Triebwagen investieren – voraussichtlich die Hamburger S-Bahn GmbH oder die AKN. Voraussetzung für die Investitionen ist ein günstiges Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Bereits im Herbst 2012 sollte die Landesverkehrsservicegesellschaft diese Kostennutzenrechnung vorlegen, doch die Planer sind in Verzug. Bürgermeister Krause bezeichnet die Verzögerungen als „nicht nachvollziehbar“.

Konkurrierende Schienenprojekte, die die öffentlichen Kassen im Norden belasten, könnten für weitere Verzögerungen beim S-Bahn-Bau nach Kaltenkirchen sorgen. Die Planung der S4 von Hamburg nach Bad Oldesloe ist bereits weit fortgeschritten und wird deutlich mehr Pendler auf die Schiene locken als die S21 nach Kaltenkirchen. Im Gespräch ist außerdem eine Stadtbahn für Kiel und das Umland.

Dass der Politik und der Bahn andere Projekte offenbar wichtiger sind als die Schnellbahn nach Kaltenkirchen, zeigte sich beim Bahngipfel am 1. November mit Ministerpräsident Torsten Albig und Bahnchef Rüdiger Grube. 460 Millionen Euro werde bis 2017 in das Schienennetz Schleswig-Holsteins investiert, verkündeten beide und nannten ausdrücklich die S4 nach Bad Oldesloe und den Ausbau der Strecke Lübeck–Kiel. Über die Verlängerung der S-Bahn-Linie nach Kaltenkirchen hatte Grube lediglich gesagt, sie sei ein wichtiges Projekt, ohne sich zeitlich festzulegen. Der Chef der AKN (300 Mitarbeiter), Wolfgang Seyb, dürfte sich gewundert haben, dass der Chef der Deutschen Bahn (300.000 Mitarbeiter) und ihres Tochterunternehmen S-Bahn Hamburg GmbH sich zur Strecke nach Kaltenkirchen äußert. Der Schienenstrang gehört zum AKN-Bestand und nicht zur Deutschen Bahn. „Wir waren zum Bahngipfel nicht eingeladen“, heißt es in der AKN-Zentrale in Kaltenkirchen.

Der Berliner Fördertopf ist nur noch bis 2019 gefüllt

Noch haben die Landesregierungen offiziell nicht entschieden, wer mit elektrisch betriebenen Zügen nach Kaltenkirchen fahren wird, doch der Verkehrsvertrag zwischen der S-Bahn Hamburg und der Stadt liefert eindeutige Hinweise. Darin ist nicht nur der Betrieb auf den Hamburger Gleisen geregelt, sondern auch die optionale Bestellung von 20 bis 27 Zügen für die Linie nach Kaltenkirchen.

Bürgermeister Krause will nicht lockerlassen, die S-Bahn schneller als geplant nach Kaltenkirchen fahren zu lassen, und setzt dabei auf die Hilfe aus Berlin. Angesichts der Haushaltslage in Kiel und Hamburg hält er den Ausbau ohne Bundesmittel für „erheblich gefährdet“. Dabei drängt die Zeit. Geld aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, das Kaltenkirchens Bürgermeister Krause in Berlin lockermachen will, steht nur noch bis 2019 bereit. Dann ist der Fördertopf leer. Eine Antwort aus Berlin hat Krause noch nicht erhalten.