In Niedersachsen werden 39 Millionen Tonnen Gülle produziert, Tendenz steigend. Grundwasser und Böden werden zunehmend belastet. Jetzt will die Politik strengere Regeln einführen.

Hannover. Die Größenordnung des Problems ist gewaltig: Die Bauern in Niedersachsen produzieren jährlich rund 39 Millionen Tonnen Gülle und acht Millionen Tonnen Mist – mit steigender Tendenz. Angesichts der steigenden Nitratbelastung des Grundwassers signalisierten am Donnerstag sogar die Oppositionsparteien CDU und FDP im Landtag in Hannover Zustimmung zu neuen, strengeren Regeln für die Ausbringung auf die Felder.

Im Klartext bedeutet dies: Vor allem den Landwirten in der Region Weser-Ems, wo die Tierdichte besonders hoch ist, soll künftig auf die Finger geschaut werden. Anders als mit der Überdüngung der Böden in dieser Region ist der Anstieg der Nitratbelastung nicht zu erklären.

Der grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer machte im Landtag deutlich, dass er sich von einem Güllekataster konkrete Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der boomenden Landwirtschaft verspricht: „Niedersachsen hat im Westen deutlich zu hohe und nicht flächenangepasste Tierbestände.“

Wie groß der Handlungsbedarf ist, hat das Landwirtschaftsministerium ermittelt: Als erstes Bundesland überhaupt hat Niedersachsen in der vergangenen Woche eine umfassende Dokumentation der Nährstoffkreislaufwirtschaft vorgelegt. Die belegt den Handlungsbedarf, weil mindestens in Teilen des Landes weit mehr Gülle und Mist anfällt, als ohne Gefahr fürs Grundwasser auf den Feldern verteilt werden kann.

Verschärft wird das Problem noch durch zehn Millionen Tonnen Gärreste aus der rasant gestiegenen Zahl von Biogasanlagen, die ebenfalls auf den Feldern landen. Folge: 60 Prozent des Grundwassers sind in einem schlechten Zustand und zu hoch mit Nitrat belastet.

Agrarminister Meyer sieht sich in seinen Befürchtungen bestätigt: „Wir dürfen nicht länger die Augen vor dieser Zukunftsaufgabe verschließen, sonst fügen wir Äckern und Wiesen unseres Landes Schaden zu, der nicht wieder gutzumachen ist.“

Angeschoben hat die Bestandsaufnahme noch der damalige CDU-Landwirtschaftsminister Gert Lindemann, der im Jahr 2012 eine Meldepflicht der Bauern für „Wirtschaftsdünger“ einführte. So heißen Gülle und Mist, weil sie bei ordnungsgemäßem Einsatz Kunstdünger überflüssig machen, also Geld wert sind.

Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) meldet seit dem Jahr 2006 wieder ansteigende Nitratwerte im Grundwasser. Dass dies an der höchsten Tierdichte Deutschlands vor allem in den Landkreisen Cloppenburg, Vechta und Emsland liegt, bestreitet inzwischen niemand mehr ernsthaft.

Im Kreis Cloppenburg etwa fällt mehr als doppelt so viel Gülle und Mist an, wie auf den Flächen untergebracht werden können. In der Region Weser-Ems fehlen, so der Nährstoffbericht, bereits jetzt rein rechnerisch fast 66.000 Hektar Fläche, um das Problem naturverträglich zu lösen.

Inzwischen gibt es einen regelrechten Gülletourismus, es werden Millionen von Tonnen mit Lastwagen oft über Hunderte von Kilometern in die Regionen des Landes verfrachtet, wo der Ackerbau dominiert und die Zahl der tierhaltenden Betriebe gering ist.

Der Nährstoffbericht aber hat nur erfasst, wie viel Gülle und Mist anfallen und ob die Bauern ihn selbst in den Boden einarbeiten oder weiterreichen an Güllebörsen oder Berufskollegen. Nicht einmal CDU und FDP machen im Landtag deshalb Front gegen die erklärte Absicht des neuen Landwirtschaftsminister Meyer, künftig den Verbleib der großen Mengen zu kontrollieren.

Die Sprecher von CDU und FDP mahnten im Landtag aber unbürokratische Lösungen an, etwa durch Verschärfung bestehender Verordnungen. Damit aber wird sich Meyer nicht zufriedengeben, die Grünen verdanken ihr gutes Abschneiden bei der Landtagswahl nicht zuletzt ihrer klaren Ablehnung der Massentierhaltung. Und genau diese Massentierhaltung führt in der Region Weser-Ems zum Gülleüberschuss mit zu viel Stickstoff und Phosphor.

Dabei hat der grüne Minister neuerdings ungewohnte Verbündete. Die durchweg von der CDU gestellten Landräte der Landkreise Grafschaft Bentheim, Emsland, Osnabrück, Vechta und Cloppenburg haben ihm einen Brandbrief geschrieben. Sie möchten künftig von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen belastbare Daten über die in den Landkreisen anfallenden Mengen und vor allem ihre ordnungsgemäße Verwendung bekommen.

Die Landkreise stemmen sich nämlich zunehmend gegen den Bau immer neuer Riesenställe für Rinder Schweine und Geflügel und brauchen für die Ablehnung der entsprechenden Bauanträge hieb- und stichfeste Argumente.

In Niedersachsen gibt es derzeit rund 2,6 Millionen Rinder, fast elf Millionen Schweine und 103 Millionen Hühner.