Die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und SSW wollen die Karrieren von Nationalsozialisten im schleswig-holsteinischen Landtag und in den Nachkriegs-Regierungen aufarbeiten lassen.

Kiel. 68 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wollen die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und SSW die Karrieren von Nationalsozialisten im schleswig-holsteinischen Landtag und in den Nachkriegs-Regierungen aufarbeiten lassen. Das geht aus einem Antrag hervor, über den das Parlament Ende September abstimmen wird. Es handele sich „um ein Kernthema der Parlamentsgeschichte unseres Landes“, heißt es in dem Antrag. Deshalb stehe „der Landtag in der Pflicht, eine solche Untersuchung anzustoßen“.

Der Kieler Landtagsabgeordnete Jürgen Weber (SPD), selbst Historiker, hat den Antrag gemeinsam mit seinen Kollegen Burkhard Peters (Grüne) und Jette Waldinger-Thiering (SSW) formuliert. „Es geht bei dieser wissenschaftlichen Arbeit nicht um eine Entlarvung von Personen“, sagt Weber. Vielmehr sollten personelle und strukturelle Kontinuitäten zu Staat, Verwaltung, NSDAP und NS-Organisationen im Landesparlament und in der Landesregierung untersucht werden. Unter anderem müsse die Frage geklärt werden, ob es eine besonders ausgeprägte Tendenz zu einer politischen und beruflichen Rehabilitierung ehemaliger Nationalsozialisten gegeben habe.

Dass diese Frage auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach der endgültigen Niederlage des Nationalsozialismus noch nicht beantwortet ist, ist schwer zu verstehen. „Selbst eine wissenschaftlich adäquate Aufarbeitung der NS-Zeit in Schleswig-Holstein hat es bis Mitte der 1980er-Jahre nicht gegeben“, weiß Weber.

Für die Untersuchung stehen im Etat des Landtags 300.000 Euro zur Verfügung – für den Zeitraum von 2014 bis 2016. Der Auftrag soll nach den Vorstellungen der Antragsteller an ein geschichtswissenschaftliches Institut gehen. Das dürfte dann zum Beispiel das Kabinett Bartram unter die Lupe nehmen. Walter Bartram hatte 1950 ein Kabinett gebildet, dem bis auf eine Ausnahme Minister angehörten, die Mitglied in einer NS-Organisation gewesen waren. Bartram selbst war 1937 in die NSDAP eingetreten. Gab es also eine belastende Dominanz alter Nazis in der jungen schleswig-holsteinischen Demokratie? Weber findet, dass die Sache auch von einer anderen Seite betrachtet werden kann. „Vielleicht wurden ehemalige Nazis so ja auch an die Demokratie herangeführt“, sagt er.

Noch in dieser Woche will er mit der CDU, der FDP und den Piraten im Landtag sprechen. Sein Ziel: Eine möglichst breite Mehrheit zu bekommen, um diese „Lücke in der Parlamentsgeschichte“ schließen zu können.