900 Helfer simulieren Zugunglück im Wattenmeer vor Sylt – die größte Übung in der Geschichte Schleswig-Holsteins

Niebüll. Scheinwerfer von Helikoptern und das Blaulicht erleuchten das Watt, dazu Geschrei von Verletzten – mehr als 600 Einsatzkräfte haben am frühen Sonntagmorgen auf dem Hindenburgdamm an einer groß angelegten Rettungsübung teilgenommen. Auf dem Damm zwischen Sylt und dem Festland wurde ein Zugunfall mit 80 Verletzten simuliert. Inklusive Besuchern und Zuschauern waren etwa 900 Menschen auf dem Damm, sagte Übungsleiter Christian Wehr.

Nach Angaben des Kreises Nordfriesland war es die größte Übung dieser Art in der Geschichte Schleswig-Holsteins. Bei Kilometer 222,8 stoppt der „Unfallzug“ mit den fertig geschminkten Verletzten mitten im Watt. Manche stolpern die Böschung hinunter, andere liegen im Zug. Kurze Zeit nach dem Notruf zeichnet sich ein blau-weiß leuchtender Lindwurm am Horizont ab: Die Rettungswagen aus Richtung Sylt sind im Anmarsch. Einige Opfer laufen ihnen entgegen, ein Mann ruft „Meine Mutter!“ Aus dem Zug tönt es: „Hallo, darf ich hier jetzt raus?“ Immer wieder machen die Verletzten auf sich aufmerksam: „Hallo – hier ist jemand bewusstlos! Warum rennt ihr einfach weiter?“

Jannika Zenker und Henning Faber gehören zu den am Bahndamm liegenden Opfern. Seit 45 Minuten liege sie hier schon, berichtet Zenker. „In echt“ wäre sie schon tot, so aber bleibt sie erst einmal weiter mit einem roten Band versehen liegen – rot steht für schwer verletzt. Faber hat nur Schürfwunden, „nicht mal 'ne halbe Minute“ hat das Schminken gedauert, berichtet er. Dann erhellen Hubschrauber das Watt. Die Retter „winchen“ Verletzte mit einer Winde zu sich hoch.

An einer anderen Stelle hält ein älterer Mann schon lange die Hand eines Jüngeren, die nur noch ein blutiger Klumpen ist. Endlich kommt er auf eine Trage. Dass den Opfer-Darstellern nicht tatsächlich etwas passiert, darauf achtet Mimenbetreuerin Lisa Preuß. „Ich passe auf, dass die Mimen nach der Rettung auf akkurate Weise getragen werden“, erläutert die junge Frau vom Jugendrotkreuz des Kreises Herzogtum Lauenburg. Ist ein Opfer richtig angeschnallt, sodass es nicht von der Trage fällt, liegt der Mann auch nicht zu lange mit dem Kopf nach unten, kühlt niemand aus – darauf hat Preuß ein Auge. Preuß ist Rettungsassistentin und gehört zur Schminktruppe. Seit neun Jahren nimmt sie an Übungen teil. „Es macht Spaß zu sehen, wie sich die Teams entwickeln.“ Mit einem Rettungszug geht es zurück aufs Festland.

Als es schon wieder hell wird, zieht Übungsleiter Wehr ein positives Fazit. „Das Konzept greift.“ Es gebe aber ein paar Ansatzpunkte, „wie wir das verfeinern können“. Eine ausführliche Auswertung der Übung werde aber erst in einigen Wochen vorliegen.

Einige Darsteller haben Kreislaufprobleme und wurden als Erste aus dem Zug geholt, sagte ein Sprecher der Bundespolizei, die zudem mit einem Eurokopter Luftaufnahmen machte und über Livebildübertragung dem Einsatzleiter in Niebüll einen direkten Eindruck vom Ort des Geschehens lieferte.

Beteiligt hatten sich unter anderem der Rettungsdienst des Kreises Nordfriesland, zwölf Freiwillige Feuerwehren, das Technische Hilfswerk, die Polizei, das Notfallmanagement der Deutschen Bahn und der Nord-Ostsee-Bahn sowie die Bundespolizei. Länger als ein Jahr dauerten die Vorbereitungen. Die Übung dient der Ermittlung von Schwachstellen und Fehlern im Rettungskonzept.