Grüner Minister Meyer kannte gefälschte Aktennotiz seines Staatssekretärs. FDP und CDU wollen im Niedersächsischen Landtag Untersuchungsausschuss beantragen.

Hannover. In Goslar wird an diesem Wochenende der Tag der Niedersachsen gefeiert, ein repräsentativer Termin für jeden Ministerpräsidenten. Stephan Weil aber wird seinen ersten Auftritt in dieser Rolle nicht wirklich genießen: Ein halbes Jahr nach Amtsantritt der neuen rot-grünen Landesregierung steht der Regierungschef blamiert da und muss damit rechnen, dass ihn die Opposition demnächst vorführen wird im Untersuchungsausschuss.

Die Einsetzung dieses Gremiums ist ein Minderheitenrecht und gibt den Oppositionsparteien CDU und FDP reichlich Gelegenheit, den Dingen auf den Grund zu gehen nach dem unrühmlichen Abgang von Udo Paschedag, dem grünen Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Den hat Weil am Donnerstag gefeuert als öffentlich wurde, dass der Staatssekretär bei der Beschaffung seines Dienstwagens Audi A8 wahrheitswidrig in den Akten vermerkt hatte, der Ministerpräsident und auch der zuständige grüne Landwirtschaftsminister Christian Meyer seien einverstanden mit der Bestellung der Luxuskarosse.

Aber es geht künftig nur noch am Rande um den unangemessen teuren Dienstwagen oder die von Paschedag georderte Klimaanlage für sein Büro. Selbst die Frage, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist bei der Eingruppierung des Staatssekretärs, ist nicht der Kern der Affäre. Es geht jetzt vor allem um die Frage, warum Landwirtschaftsminister Meyer die Regierungsfraktionen und vor allem Ministerpräsident Weil nicht informiert hat über den Vermerk von Paschedag. Meyer kannte den seit 14 Tagen, aber schwieg mit der Folge, dass der Ministerpräsident und die Koalitionsfraktionen sich noch bei der von der Opposition erzwungenen Debatte am Mittwoch im Landtag schützend vor Paschedag stellten. Von „Theaterdonner“ sprach Weil an diesem Abend im NDR-Fernsehen. Keine 24 Stunden später gab es dann im Landtag großes Theater: Weil stand, sichtlich mitgenommen am Rednerpult, um die Versetzung des Staatssekretärs in den Einstweiligen Ruhestand bekannt zu geben.

„Wir wollen herausfinden, wer, was, wann genau gewusst hat“, umschrieb CDU-Fraktionschef Björn Thümler am Freitag die Stoßrichtung für den Untersuchungsausschuss. Und FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte auch klar, wer jetzt im Visier der Opposition ist: „Was mit einem Audi A8 anfing, ist inzwischen eine massive Regierungskrise. Der Ministerpräsident hat seine Regierung nicht im Griff.“ Für Dürr ist klar: „Der Untersuchungsausschuss richtet sich eindeutig gegen den Ministerpräsidenten Stephan Weil.“

Nach dem Abgang von Staatssekretär Paschedag fordert die Opposition jetzt folgerichtig auch den Rücktritt des Landwirtschaftsministers.

Der aber hat unabhängig von seinem verhängnisvollen Schweigen eine starke Position, weil er zugleich Abgeordneter ist und die Einstimmen-Mehrheit im Landtag den Ministerpräsidenten erpressbar macht.

Umgekehrt ist es genau diese denkbar knappe Mehrheit, die CDU und FDP motiviert, auch den kleinsten Riss im Regierungslager zu befördern. Es gibt etwa in der Verkehrspolitik durchaus Meinungsunterschiede in der Koalition, die im Koalitionsvertrag nur mühsam verbal kaschiert worden sind.

Die beiden Fraktionsvorsitzenden Johanne Modder (SPD) und Anja Piel (Grüne) stellten sich am Freitag fast schon schützend vor den Regierungschef: „Ministerpräsident Stephan Weil hat in der Sache konsequent und vor allem unverzüglich gehandelt.“ Über Landwirtschaftsminister Meyer aber stand nichts in der Pressemitteilung.

Die Landesregierung ihrerseits prüft jetzt die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Staatssekretär Paschedag. Dessen förmliche Entlassung wird erst am kommenden Dienstag bei der Kabinettssitzung erfolgen.

Der 58-jährige Jurist erhält dann drei Monate noch seine vollen Dienstbezüge von 9584,94 Euro plus der umstrittenen Zulage von 764,48 Euro, danach stehen ihm drei Jahre erhöhte Ruhestandsbezüge von 71,75 Prozent seines Gehalts zu.