DRK erarbeitet Richtlinien für 17 Einrichtungen im Kreis Pinneberg, um sexuelle Übergriffe zu verhindern. Auch die Eltern spielen in dem Schutzkonzept eine wichtige Rolle.

Kreis Pinneberg. Vor sieben Jahren sah sich der DRK-Kreisverband Pinneberg mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Der Ehemann einer Elmshorner Kita-Leiterin hatte sich an Kindern der Einrichtung vergangen, er wurde 2009 rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt. „Dieser Vorfall war einer der Auslöser, uns mit diesem Thema näher zu befassen“, sagt DRK-Kreisgeschäftsführer Reinhold Kinle. Das Ergebnis ist ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt und Missbrauch, das in allen 17 DRK-Kitas im Kreis Pinneberg gilt.

„Gemeinsam passen wir auf“ lautet der Titel des Konzeptes, das gemeinsam mit dem Verein Wendepunkt aus Elmshorn entwickelt wurde. Die Einrichtung bietet seit 1991 unter anderem eine sexualpädagogische Prävention an – auch für Einrichtungen wie Kindergärten. „Die Resonanz aus den Einrichtungen ist da, aber sie ist nicht groß“, sagt Mitarbeiter Dirk Jacobsen. Das Thema werde häufig tabuisiert, regelrecht totgeschwiegen. „Die denken, das passiert überall anders, nur nicht bei uns“, so Jacobsen. Und er sagt weiter: „Wenn sich eine Einrichtung damit befasst, dann meistens, weil es dort zu Auffälligkeiten gekommen ist.“ Dass ein großer Träger wie das DRK alle seine Einrichtungen auf Kreisebene mit einem derartigen Konzept ausstatte, sei die absolute Ausnahme.

Die Wendepunkt-Fachleute haben alle 300 DRK-Mitarbeiter im Kreis Pinneberg geschult und über die Gefahren des sexuellen Missbrauchs aufgeklärt, die Kindern drohen. „Jeder kennt jetzt die Risiken. Sie drohen an Orten, die wir mit den Kindern aufsuchen, aber auch innerhalb unserer Einrichtungen“, sagt Kita-Leiterin Birgit Pieciak aus Elmshorn. Es sei unerlässlich, dass die Mitarbeiter mit offenen Augen durch den Alltag gehen. Dass sie bei Kindern Anzeichen für sexuellen Missbrauch erkennen, der natürlich auch zu Hause erfolgt sein kann. Und dass sie sexuell übergriffiges Verhalten von Kindern an Kindern bemerken und sofort unterbinden. „Sie müssen zuhören können und die Kinder ernst nehmen, sie nicht als Lügner abtun. Ein Kind spricht vielleicht ein- oder zweimal über solche Vorfälle, danach aber nie wieder“, sagt Marion Meusel, die ebenfalls in Elmshorn eine DRK-Kita leitet.

„Wichtig ist auch, dass unsere Mitarbeiter wissen, was sie im Verdachtsfall tun müssen“, sagt Nadine Joswig, Kita-Leiterin aus Rellingen. Sollte aus Sicht des Mitarbeiters das Kindeswohl gefährdet sein, wird zunächst eine speziell geschulte Fachkraft des Trägers eingeschaltet. Sie prüft den Fall, führt im Zweifelsfall Gespräche mit dem betroffenen Kind und den Eltern und schaltet dann das zuständige Jugendamt ein. Joswig: „Wir haben alle Mitarbeiter professionalisiert und gemeinsame Kommunikationsstrukturen geschaffen. Das ist unheimlich wichtig, weil dieses Thema sonst häufig mit Sprachlosigkeit und Handlungsunfähigkeit verbunden ist.“

Das DRK verpflichtet sich in dem Schutzkonzept, hohe Anforderungen bei der Neueinstellung von Mitarbeitern zu erfüllen und diesen Schulungen zum Thema sexualpädagogische Prävention anzubieten. Auch die übrigen Mitarbeiter erhalten alle zwei Jahre eine Fortbildung, um ihr Wissen in diesem Bereich zu vertiefen.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist es, den Kindern der Einrichtungen altersgerecht den Umgang mit der eigenen Sexualität zu vermitteln. „Die Kinder sollen ein positives Körpergefühl bekommen, sinnliche Wahrnehmungen erleben und lernen, offen über ihre Gefühle zu sprechen“, sagt Kita-Leiterin Sabine Goetz aus Moorrege. Daher erlauben die Mitarbeiter den Kindern Neugierspiele und leiten Körpererforschungsspiele an, auch in unbekleidetem Zustand. „Es gelten aber klare Regeln: Körperspiele miteinander finden immer auf freiwilliger Basis statt, und es wird nichts in Körperöffnungen gesteckt“, so Joswig weiter. Auf diese Weise könnten die Kinder lernen, achtsam mit sich selbst, ihrer Körperlichkeit und mit den Altersgenossen umzugehen. Joswig: „Die Kinder erfahren, dass ihr Körper ihnen allein gehört. Das ist der sicherste Schutz gegen Übergriffe auf die eigene Person.“

Auch die Eltern spielen in dem Schutzkonzept eine wichtige Rolle. „Es ist ganz wichtig, mit ihnen zu arbeiten. Sie müssen lernen, mit ihren Kindern offen über Sexualität und die damit verbundenen Grenzverletzungen zu sprechen“, so Joswig weiter. Das DRK veranstaltet dazu künftig in den Einrichtungen Elternabende und Informationsveranstaltungen.

Der Wendepunkt hat jetzt alle 17 DRK-Einrichtungen im Kreis, in denen 1365 Kinder betreut werden, offiziell zertifiziert. DRK-Kreisgeschäftsführer Kinle freut sich über das Engagement der Mitarbeiter in diesem Bereich. „Wir dokumentieren damit, dass uns das Kindeswohl besonders am Herzen liegt. Einhundertprozentigen Schutz gibt es nicht, aber wir versuchen damit, das Risiko zu minimieren.“