Ministerin verärgert mit Entwurf zum neuen schleswig-holsteinischen Schulgesetz erneut Lehrer wie Eltern. Waltraud Wende eckt nicht das erste Mal mit ihren sprachlichen Eskapaden an.

Kiel. Wozu ist eigentlich Schule da? Um „Bildungs- und Erziehungsziele“ zu erreichen, heißt es im schleswig-holsteinischen Schulgesetz. Noch. Waltraud Wende, die parteilose Landesbildungsministerin, will in Zukunft nur noch von „pädagogischen Zielen“ sprechen. So steht es im Referentenentwurf des Gesetzes. Und der hat nun zu Protesten insbesondere bei den Lehrern geführt.

Der schleswig-holsteinische Philologenverband, die Interessenvertretung der Gymnasiallehrer im Land, hält den Verzicht auf die eingeführten Begriffe Erziehung und Pädagogik für „falsch und fehlerhaft“. „Wenn Schule nach wie vor einen Bildungs- und Erziehungsauftrag haben soll, dann muss dies explizit und differenziert im Schulgesetz dargestellt werden“, sagt Jens Finger, der Pressesprecher des Verbands. Und Bernd Schauer, der Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), findet: „Ich hätte das Fass nicht aufgemacht. Eine Umbenennung ist unnötig, zumal die Eziehung für uns eine ganz wichtige Rolle spielt.“

Die Ministerin fühlt sich mittlerweile missverstanden. „Das Schulgesetz gibt den Rahmen für die Gestaltung von Schule und Unterricht. Deshalb ist es mir wichtig, dass unser Entwurf einen modernen, zeitgemäßen Bildungs- und Erziehungsbegriff anwendet“, sagt sie. „In den vergangenen Wochen gab es eine ausführliche Anhörung zum Entwurf und zahlreiche Stellungnahmen zu ganz unterschiedlichen Aspekten, die wir sehr sorgfältig bearbeitet haben. Ein Teil davon befasste sich mit dem Begriff ‚Erziehung‘ und der Befürchtung, es falle etwas weg. Ich lege Wert darauf, dass das nicht so ist.“

Das Gesetz enthalte eine differenziertere Begrifflichkeit, die das Handeln in Schule eindeutiger abbilde. „Es ist klargestellt, dass pädagogische Ziele sowohl Bildung als auch Erziehung umfassen.“ Und ihr Pressesprecher Thomas Schunck schiebt nach, die Ministerin habe die Aufgaben der Schule erweitern wollen. Es gehe auch um Sozialkompetenz.

Waltraud Wende eckt nicht das erste Mal mit ihren sprachlichen Eskapaden an. Erst im Juni hatte sie in einem Erlass die Umbenennung des Grundschulfachs „Heimat- und Sachunterricht“ (HSU) in „Sachunterricht“ verfügt. Nach Protesten fand sie einen Kompromiss. Das Fach heißt fürderhin „Heimat-, Welt- und Sachkunde“ und taucht unter der Abkürzung HWS in den Stundenplänen auf. „Die Diskussion hat mich überrascht“, hatte Wende damals gesagt. Ein Satz, der heute offenbar wieder gilt.

Die Neufassung des Schulgesetzes ist die wichtigste Aufgabe der Ministerin. Schulthemen sind traditionell streitbehaftet in Schleswig-Holstein. Mit dem neuen Gesetz soll der achtjährige Bildungsgang für Gymnasien festgeschrieben werden. Die Gemeinschaftsschulen, der Gegenentwurf, bekommen damit ein klares Profil. Sie führen als einzige Schulform nach neun Jahren zum Abitur.

Außerdem sind im Schulgesetz eine Fülle von Details geregelt. So ist es derzeit nahezu ausgeschlossen, dass ein Lehrer zum Leiter der Schule berufen wird, an der er unterrichtet. Nur Bewerber, die von anderen Schulen kommen, haben eine Chance. Der Gesetzentwurf macht öffnet nun ein Türchen für Direktbewerber. Wird im ersten Auswahlverfahren kein Direktor gefunden, dürfen sich beim zweiten Verfahren auch „heimische“ Pädagogen bewerben.

Mit anderen Worten: Die Schulen könnten nun auch einen Leiter bekommen, der den „Laden“ bereits aus eigenen Erfahrung kennt. Noch ist allerdings unklar, ob das Gesetz tatsächlich in der vorliegenden Fassung verabschiedet wird (siehe Infokasten). Die Debatte hat gerade erst begonnen – auch die über Begrifflichkeiten. Längst nicht jeder findet den Verzicht auf „Erziehung“ furchtbar. Stefan Hirt, der Vorsitzende des Landeselternbeirats für Gemeinschaftsschulen, sagt: „Es gibt viele Eltern, die darauf bestehen, dass Erziehung allein ihre Sache sei – und nicht die der Lehrer.“

Und die GEW, die die Umbenennung eigentlich für unnötig hält, hat in ihren Anmerkungen zum Gesetzentwurf dennoch einen Veränderungsvorschlag gemacht. Es solle in Zukunft nicht „Bildung und Erziehung“ heißen, sondern der Begriff „Betreuung“ solle sich diesem Paar hinzugesellen.

Für die Opposition ist die Sache klar. Heike Franzen, die Bildungsexpertin der CDU-Landtagsfraktion, sagt: „Die Streichung des Bildungs- und Erziehungsauftrages unserer Schulen aus dem Schulgesetz muss rückgängig gemacht werden.“ Niemand werde diesen Auftrag ernsthaft infrage stellen wollen. „Deshalb muss er im Gesetz bleiben“, fordert sie.

Ihre Kollegin von der FDP, die Oldesloer Landtagsabgeordnete Anita Klahn, sagt: „Ich bin fassungslos, dass in einem Schulgesetz das Wort Bildung nicht mehr vorkommt. Bildungsziele sind gestrichen worden und durch pädagogische Ziele ersetzt worden.“ Das lasse deutlich erkennen, welchen Stellenwert die Ministerin der inhaltlichen Wissensvermittlung beimesse.