Nabu fürchtet beim Bau der Autobahn bei Bad Segeberg um Fledermäuse und Artenvielfalt im Travetal. Gleich mehrere Betroffene haben gegen den Weiterbau der Autobahn Klage eingereicht.

Bad Segeberg. In drei Monaten wird es ernst für Befürworter wie Gegner der Autobahn 20. Denn am 22. und 23. Oktober verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klagen gegen das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt südlich von Bad Segeberg. Gleich mehrere Betroffene haben gegen den Weiterbau der Autobahn, die derzeit bei Weede vor den Toren der Kreisstadt endet, Klage eingereicht. Insbesondere die Naturschützer sind dagegen, dass die neue Autobahn durch das Travetal mit seiner Artenvielfalt führt. Nach den aktuellen Plänen wird es mit einem großen Brückenbauwerk überspannt, um den Anschluss an die Autobahn21 (Kiel–Bargteheide) zu schaffen. Von dort geht es weiter bis zur Bundesstraße 206 hinter Wittenborn. Ab hier beginnt ein neuer Planungsabschnitt bis zur A7 zwischen Kaltenkirchen und Bad Bramstedt.

Während seit dem Frühjahr eine Initiative „A20 sofort“ unter der Beteiligung von Ex-Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) Unterschriften für den raschen Ausbau der Autobahn sammelt, bereiten sich die Kläger im aktuellen Verfahren vor. Vergangenes Jahr hatten sie sich mit dem Land auf einen Baustopp bis zur Gerichtsentscheidung geeinigt, dabei aber akzeptiert, dass Teile der Bauarbeiten bereits beginnen können. Sie betreffen vor allem Teile der Autobahn 21 im Bereich des späteren Autobahnkreuzes, sind aber laut dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr ohnehin nötig. Das Abendblatt stellt die wichtigsten Kläger und ihre Argumente vor.

Aus Sicht des Nabu (Naturschutzbund Deutschland) wurden bei den bisherigen Planungen für die Autobahn die Fledermäuse zu wenig berücksichtigt. Der Fledermausreferent des Nabu-Landesverbands Schleswig-Holstein, Stefan Lüders, stellt dabei auch klar, dass sein Verband nicht generell gegen die Autobahn ist. „So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, sagt er. Gleichwohl fordert er eine neue Untersuchung, wie die Fledermäuse zu ihrem Winterquartier in den Kalkberghöhlen von Bad Segeberg kommen. Jedes Jahr überwintern hier 22.000 von ihnen, und keiner wisse genau, wie sie auf eine Autobahn auf dem Gebiet reagieren, das sie seit Jahren zum Anflug nutzen würden. Die geplanten Tunnel würden nicht ausreichen – und über die geplante Wand am Rande der Autobahn könnten die Tiere hinwegfliegen, sagt Lüders.

Der Fledermaus-Experte wundert sich, dass ausgerechnet in der Nähe des wichtigsten Winterquartiers weit und breit keine genaueren Analysen über das Verhalten der Tiere in Auftrag gegeben wurden. „An derselben Autobahn um Lübeck herum hat man das viel aufwendiger untersuchen lassen. Wir wollen, dass ein Gutachter beauftragt wird, der alles noch einmal untersucht und die geplanten Maßnahmen prüft.“ Es müsse erheblich nachgebessert werden. Lüders schweben dabei weitere Querungshilfen für die Fledermäuse vor, die sich offenbar bis auf wenige Meter genau die Wege merken können und versuchen, diese auch immer wieder zu nutzen.

Für Hans-Jörg Lüth, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND, ist es keine Frage, dass sein Verband gegen die Baupläne klagen musste: „Das Travetal ist ein herrliches Feuchtgebiet. Es hat alles, was man sich an Arten vorstellen kann.“ Dass die Planer die Autobahn ausgerechnet durch dieses Gebiet führen mussten, macht für ihn die Klage unerlässlich. „Wir haben kaum noch Naturräume. Und nun will man auch hier, wo es noch natürliche Vegetation gibt, eine Straße bauen.“ Die Planer seien bei dem Straßenprojekt den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Nach Lüths Ansicht sprechen aber viele Argumente gegen das Brückenbauwerk durchs Travetal. „Wenn man das Europarecht halbwegs ernst nimmt, dann kann man das nicht machen“, sagt er. Sein Verband sei kein Freund von Klagen, die viele Ressourcen binden. Aber er sagt auch: „Es gibt Fälle, da muss man vor Gericht gehen.“ Sonst verliere der BUND seine Existenzberechtigung als Anwalt der Umwelt. Außerdem kritisiert er: „Es werden immer neue Straßen gebaut, es ist aber kein Geld für die Reparatur von alten Straßen da, die kaputt sind.“

Die Gemeinde Klein Gladebrügge südlich von Bad Segeberg klagt gegen die Planfeststellung, weil sie durch das Brückenbauwerk geteilt wird, erläutert Roda Verheyen. Die Hamburger Rechtsanwältin vertritt die Interessen der Gemeinde. Klein Gladebrügge steht weiter auf dem Standpunkt, dass die Autobahn durch Bad Segeberg hindurch in einem Trog gebaut werden könnte, darüber wäre Platz für den Stadtverkehr. Eine Lösung, die auch die Umweltverbände begrüßen würden. „Die Gemeinde war von Anfang an gegen den Bau durch das Travetal, deswegen hat sie jetzt auch geklagt“, sagt Verheyen. Die Erfolgsaussichten könne niemand sinnvoll einschätzen. „Das Bundesverwaltungsgericht ist immer offen für Überraschungen – in jeder Hinsicht.“

Die Gemeinde Wittenborn westlich von Bad Segeberg hat eine andere Sorge zur Klage getrieben. Die Trasse der A20 wird das Gemeindegebiet künftig vom Segeberger Forst abschneiden. Zwar ist im Bauwerk ein Tunnel vorgesehen, der aber darf von der Feuerwehr nicht genutzt werden, da er als Querung für die Fledermäuse dienen soll. Nun befürchtet die freiwillige Feuerwehr, im Ernstfall lange Wege fahren zu müssen. „Die Gegenseite hat unsere Argumentation ausgehebelt“, sagt Bürgermeister Thorsten Lange (CDU), der derzeit auch noch Wehrführer ist. Denn da das Tanklöschfahrzeug zu breit für den Tunnel ist, sei verständlich, dass es nicht da durchdürfe. Allerdings fordert Lange weiterhin, dass beispielsweise Rettungswagen durch den Tunnel fahren dürfen oder dass im Brandfall hier Schläuche verlegt werden könnten. „Wir wollen die Möglichkeit haben, den Tunnel zu nutzen“, sagt er. Stefan Lüders vom Nabu pflichtet Lange bei: „Es nützt den Fledermäusen auch nichts, wenn der Wald abbrennt.“

Auch Möbel Kraft klagt gegen den Bau der Autobahn um Bad Segeberg herum. „Wir wollen zwar die Autobahn, aber wir wollen auch, dass zeitgleich mit der A20 die Straßenkreuzung ausgebaut wird, die im Ort zu unserem Möbelhaus führt. Der Kunde kommt nicht wieder, wenn er einmal im Stau steht“, so Geschäftsführer Gunnar George. Die Kritik vonseiten anderer Unternehmer sowie der Industrie und Handelskammer entgegnete er: „Es sind ja auch noch andere vor Gericht gegangen. Das ist nicht hauptsächlich unsere Klage, die das verzögert.“