Ministerpräsident Stephan Weil will sich ein Bild machen und Wohnanlagen besuchen. „Da werden Menschen systematisch fern gehalten von unserem gesellschaftlichen Leben.“

Hannover. Die rot-grüne niedersächsische Landesregierung will den Einsatz von Billigarbeitern meist aus Osteuropa vor allem in der Region Weser-Ems mit allen Mitteln bekämpfen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) setzt dabei nicht nur auf eine Zusammenarbeit mit den Kommunen, um eine menschenwürdige Unterbringung der Menschen zu erzwingen. In Hannover kündigte Weil am Dienstag an, er werde sich in den kommenden Wochen vor Ort ein Bild machen. Es gebe vor allem in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg regelrechte Wohnanlagen, die nur mit Passierschein betreten werden dürften: „Da werden Menschen systematisch fern gehalten von unserem gesellschaftlichen Leben.“

Der katholische Prälat Peter Kossen aus Vechta hat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretern immer wieder menschenverachtende Zustände in den Quartieren und Dumpinglöhne in der Fleischindustrie kritisiert. Jetzt aber wird deutlich, dass das Problem auch andere Branchen betrifft. Vor Wochenfrist starben in Papenburg zwei Osteuropäer bei einem Feuer in einem Haus, in dem es laut Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) „nicht einmal Rauchmelder gab“. Die beiden Toten haben zuvor für die Meyer Werft gearbeitet – ebenfalls mit Werkvertrag. Der Vorzeigebetrieb Meyer reagierte prompt und hat umgehend eine Sozialcharta mit der Landesregierung und der IG Metall ausgehandelt.

Die Landesregierung wird in den kommenden Wochen quer über viele Branchen ausloten, wie viele Firmen über Werkverträge mit Dumpinglöhnen wie viele Osteuropäer beschäftigen. Lies verwies dazu auf einen bekannt gewordenen Fall in Leer mit Arbeitsverträgen über Stundenlöhnen von 3,53 Euro: „Das ist nicht nur sittenwidrig, sondern gehört hart bestraft.“ Ministerpräsident Weil glaubt nicht, dass die Missstände auf Weser-Ems beschränkt sind, aber auch für ihn handelt es sich um eine Problemregion: „Wir haben den Eindruck, dass es sich um massenhaften Missbrauch handelt.“

An die Bundesebene appellierte Weil, endlich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Unabhängig davon erhöht das Land gezielt den Druck: Es wird verstärkt Kontrollen geben und gezielte Beratung für die Osteuropäer. Und nach dem Scheitern eines Gipfeltreffens mit der Fleischindustrie vor wenigen Wochen muss die Branche künftig damit rechnen, an den Pranger gestellt zu werden, wenn sie beim Mindestlohn nicht einlenkt. „Wenn die Landesregierung klare Fakten hat, wird sie sie auf den Tisch legen“, drohte Wirtschaftsminister Lies.