Hamelner Landrat Rüdiger Butte war in seinem Amtszimmer erschossen worden. Uwe Schünemann bewirbt sich um dessen Nachfolge. Niedersachsen stimmt über fünf Landratsposten und zwei Oberbürgermeister ab.

Hannover. Die neue rot-grüne Koalition hatte es eilig auf dem Weg zurück: In der letzten Plenarsitzung vor der großen Sommerpause verabschiedete der niedersächsische Landtag eine Gesetzesänderung, mit der künftig die Hauptverwaltungsbeamten wieder nach altem Recht gewählt werden. Nach dem Gesetz ist eine Stichwahl notwendig, wenn kein Bewerber im ersten Anlauf die absolute Mehrheit erreicht.

Der Grund zur Eile: Am 22. September wird nicht nur ein neuer Bundestag gewählt. Zeitgleich mit den Bundestagswahlen findet in Niedersachsen weitere Wahlen statt. Der Regierungswechsel auf Landesebene im Februar hat auch dazu geführt, dass Landräte nach Hannover gewechselt sind und dort vor allem auf der Ebene der Staatssekretäre den neuen und meist unerfahrenen Ministern den Rücken freihalten. Einer von ihnen heißt Jörg Mielke. Er ist neuer Chef der Staatskanzlei. Bis Februar füllte er den Posten des Landrats des Landkreises Osterholz aus.

Bei den „kleinen Kommunalwahlen“ geht es um fünf der insgesamt 38Landratsposten und zwei neue Oberbürgermeister (OB). Aus Hannovers Verwaltungschef wurde bekanntlich als Ergebnis der Landtagswahl vom 20. Januar der neue Ministerpräsident Stephan Weil und aus dem Osnabrücker Stadtoberhaupt der neue Innenminister Boris Pistorius (beide SPD).

Neue Landräte werden außer in Osterholz auch in den Landkreisen Wolfenbüttel, Northeim, Wesermarsch und Hameln-Pyrmont gebraucht. Der Hamelner Landrat Rüdiger Butte war am 26. April Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Er war in seinem Amtszimmer erschossen worden.

Um die Nachfolge von Rüdiger Butte bewirbt sich jetzt Uwe Schünemann (CDU). Der 48-Jährige war bis zum Regierungswechsel Innenminister in Niedersachsen, hatte aber die Rückkehr in den Landtag bekanntlich nicht geschafft. Auf der CDU-Landesliste stehen mit der früheren Sozialministerin Aygül Özkan und dem früheren Kultusminister Bernd Althusmann noch zwei Schwergewichte vor ihm, falls Ex-Regierungschef David McAllister den Landtag verlässt, um wie angekündigt ins Europaparlament zu wechseln. Schünemann muss sich also um einen neuen politischen Anlauf kümmern.

In der großen Kommune Hildesheim und in kleineren Kommunen wie Seevetal und Hollenstedt werden ebenfalls neue Verwaltungschefs gewählt. Insgesamt sind knapp 20 Prozent der 7,7 Millionen Niedersachsen aufgerufen, über den Hauptverwaltungsbeamten ihrer Kommune zu entscheiden.

So wie die Abschaffung der Stichwahl in der vergangenen Legislaturperiode erfolgt war, weil die CDU als traditionell stärkste Kommunalpartei sich davon Vorteile erhoffen konnte, so erfolgte jetzt auch die Wiedereinführung der Stichwahl vor allem, weil SPD und Grüne sich davon die leichtere Durchsetzung eigener Kandidaten versprechen.

Aber auch die oppositionelle FDP sprach sich für die Gesetzesänderung aus – gemäß dem alten Spruch, dass es keine Koalition in der Opposition gibt. Tatsächlich ist es derzeit schwierig, auf den Ausgang der Abstimmung über insgesamt mehr als 20 Hauptverwaltungsbeamte am 22. September zu wetten.

Gelingt es vielleicht CDU-Kandidaten, wegen der zeitgleichen Bundestagswahl und quasi im Windschatten der populären Kanzlerin ins Amt zu kommen?

Oder bleibt es dabei, dass mindestens Hannover für die CDU uneinnehmbar ist?

Wer auch immer den Sprung auf den Sessel eines Landrates oder Oberbürgermeisters oder Bürgermeisters schafft, wird erleichtert durchatmen. Den Job hat er dann für acht Jahre sicher, denn mit einer zweiten angekündigten Änderung des kommunalen Wahlrechts lässt sich die neue rot-grüne Landesregierung Zeit.

Ab kommendem Jahr sollen die Hauptverwaltungsbeamten nur noch für fünf statt wie bislang für acht Jahre gewählt werden. Dieses Gesetzesvorhaben hat der Landesregierung massive Kritik der Kommunalen Spitzenverbände eingetragen.

Die fürchten, dass es künftig noch schwerer wird, gestandene Bewerber mit der erforderlichen Erfahrung für die kommunalen Spitzenpositionen zu bekommen. Der Job ist dann ja quasi ein Schleudersitz.

Wenn künftig die Kreistage und Stadtparlamente wieder zeitgleich mit den Hauptverwaltungsbeamten gewählt werden, so bedeutet dies aus der Sicht der Oppositionsparteien CDU und FDP zudem einen Bedeutungsverlust für die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker.

Warum ausgerechnet Ministerpräsident Weil diese Reform durchsetzen will, ist vor allem vielen Kommunalvertretern ein Rätsel. Schließlich kommt der Mann aus ihrem Arbeitsbereich.

Anders als in Hannover, wo mindestens bislang immer nur Sozialdemokraten gewählt wurden, macht die Bindung der Amtszeit der Verwaltungschefs an die Länge der Legislaturperiode der Kreistage und Stadtparlamente den Landrat, Oberbürgermeister und Bürgermeister druckempfindlicher.