Flensburg/Oldenburg. Wie das so ist bei Vätern: Sie lassen sich von ihren Töchtern für etwas begeistern, was zunächst eher wenig mit ihrer Arbeit zu tun hat. Bei Franz Januschek waren es seine Mädchen, die ihn zum Thema der „Star-Trek“-Filme brachten – für einen Sprachwissenschaftler nicht das tägliche Brot. Doch die Klingonen aus den Filmen weckten das Interesse von Januschek, der an den Universitäten in Flensburg und Oldenburg forscht.
Diese erfundenen Wesen, „sehr direkt, unhöflich und kriegerisch“, bekamen eine eigene Sprache. Die Filmfirma engagierte einen Linguisten – und Klingonisch war in der Welt. Zu dieser und anderen erfundenen Sprachen forscht Januschek seit 1998. Ein exotisches Gebiet, „kein gut etabliertes Thema“, sagt der 64-Jährige, anders als etwa Geheimsprachen.
Die „jungen Sprachenerfinder“, denen sich Januschek widmet, sind schwer zu finden, aber es gibt auch einfach nur wenige, die sich mit einer Sprache eine eigene Welt erschaffen wollen. Der Wissenschaftler arbeitete mit Hochbegabten, fand zufällig Schüler und Studenten, die sich outeten. „Eine Studentin sagte, ich habe eine Sprache erfunden, in der nur geflüstert wird.“ Seit zehn Jahren arbeite sie daran, ganz allein. Mehr als 90 Prozent der Menschen könnten wohl nicht verstehen, was andere zu so einer Erfindung treibt, meint Januschek. Dennoch habe es über die Jahrhunderte immer Sprachenerfinder gegeben - stets seien sie Außenseiter gewesen.
Sprachinstitut für Klingonisch nimmt sogar Prüfungen ab
Auch Januschek hat bislang nur Einzel-Erfinder entdeckt, keine Gruppen. Die Gemeinsamkeiten der Sprachenerfinder zu entdecken, ist Teil seiner Arbeit. Sprachphilosophisch gesehen gehe es darum, „Alternativen zum herrschenden Denken und Sprechen zu entwickeln“. Auch die Sprachen, die dabei entstehen, haben Gemeinsamkeiten: „Alle erfundenen Sprachen haben Namen, noch bevor sie ausgearbeitet sind.“ Viele tragen beschreibende Namen, wie die Lingua ignota von Hildegard von Bingen, Common Writing, Ars signorum. Bei jungen Leuten heißt es etwa „Sprache des Friedens“.
Grundschüler Tim entschied sich einfach für „Timisch“. „Das ist selten in einem so jungen Alter, da hatten sie noch nicht einmal Fremdsprachenunterricht, aber sie brauchen ein Gefühl für grammatische Regeln.“ Nicht alle Sprachen sind so ausgefeilt wie das Klingonische, für das es sogar ein Sprachinstitut gibt, das Prüfungen abnimmt. Dabei gilt laut Januschek: „In den allerseltensten Fällen sind erfundene Sprachen gesprochene Sprachen.“ Esperanto sei eine Ausnahme, zudem die erfundene Sprache mit dem ehrenwertesten Motiv.
Frage man Kinder nach ihren Gründen, kämen Ideen wie „dem Frieden dienen“. Manche wollten keine Ausdrücke für Schreckliches. „Das ist interessant, dass so reflektierte Leute glauben, wenn man kein Wort für etwas hat, kann man es nicht ausdrücken.“ Andere wollten eine ganz präzise Sprache entwickeln. Auch Wohlklang sei ein Motiv – und damit ist Januschek bei Elbisch, jener von dem Autor J.R.R. Tolkien entwickelten Sprache.
Tolkien hat für seine Sprache eine ganze Welt erfunden
Tolkien habe eine Sprache erschaffen wollen, die schön klingt. „Er war von frühester Jugend an Schöpfer von Sprachen, hat sich anregen lassen durch Gotisch, Finnisch, Walisisch und anderen.“ Zuerst sei die Sprache dagewesen, dann erst der Roman dazu: „Er hat für seine Sprache eine Welt erfunden – so entstand „Der Herr der Ringe“.“
Höre man den 1973 verstorbenen Autor rezitieren, „merkt man, wie viel Spaß er hat“. Dennoch habe Tolkien das Sprachenerfinden als heimliches Laster bezeichnet. Heute werde das anders gesehen, konstatiert Januschek. Lehrer würden es interessant finden, wenn sich ein Kind eine Sprache ausdenkt.
Die größte Öffentlichkeit haben aber wohl die Sprachen, die von der Fan-Gemeinde von Büchern oder Filmen entdeckt werden. Obwohl gerade Klingonisch schwierig auszusprechen ist – vor allem für Amerikaner. Kehllaute, Knacklaute nach Vokalen, ein stimmloses L wie im Walisischen – es wird schon erwartet, dass der Gesprächspartner nass wird, heiße es in Nachschlagewerken, sagt Januschek lächelnd.
Für die unhöflichen Klingonen wurden auch entsprechende Sprachmerkmale entwickelt: Zur Begrüßung sagt der Außerirdische „Was willst Du“, wörtlich „was Begehr“, aber es klingt wie „nuk nech“, mit hartem ch. Die Welt der Klingonen ist eben eine andere – und ihre Sprache ist Ausdruck dieser Welt.
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