Der Alltag der Polizisten in Neustadt ist weniger spektakulär als in der ZDF-Serie. Kommandant: „Die einzigen Leichen, mit denen wir es zu tun haben, sind meist ertrunkene Segler und Angler.“

Neustadt. Wenn Michael Moll im Urlaub erzählt, dass er bei der Küstenwache ist, bekommen die Zuhörer große Augen. Als Kommandant eines Streifenbootes der Bundespolizeidirektion See ist Hauptkommissar Moll gewissermaßen der Kapitän Ehlers der echten Küstenwache. Mit den rasanten Verfolgungsjagden auf dem Wasser und kniffligen Ermittlungen zu mysteriösen Todesfällen wie in der ZDF-Serie „Die Küstenwache“ hat sein Arbeitsalltag allerdings wenig zu tun. „Die einzigen Leichen, mit denen wir es zu tun haben, sind meist ertrunkene Segler und Angler, keine Opfer von Gewaltverbrechen“, sagt er.

Die echte Küstenwache hat höchstens mit ertrunkenen Seglern zu tun

Seit 1997 geht das Team um Kapitän Ehlers, gespielt von Rüdiger Joswig, an der deutschen Ostseeküste auf Verbrecherjagd. Gedreht wird in Neustadt im Kreis Ostholstein, wo auch die Bundespolizei See zu Hause ist. Als Filmschiff „Albatros II“ stellt die auch für die Nordsee zuständige Bundespolizei für Außenaufnahmen eines ihrer Schiffe, die BP 22 „Neustrelitz“ oder die BP 23 „Bad Düben“, zur Verfügung. „Doch damit sind die Gemeinsamkeiten auch schon fast zu Ende. Die Handlung hat mit unserem Alltag nicht viel zu tun.“

1994 haben sich die zur See fahrenden Bundesbehörden zum Koordinierungsverbund Küstenwache zusammengeschlossen. Dazu gehören neben der Bundespolizei See der Zoll, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Zu den Aufgaben der Küstenwache gehören der maritime Umweltschutz, die Sicherheit im Schiffsverkehr, die Überwachung der Zollgrenzen und der polizeiliche Grenzschutz. „Die Organisationsstruktur in der Serie geht völlig an der Realität vorbei“, sagt der stellvertretende Leiter der Bundespolizeiinspektion See, Marco Antler.

Die echte Crew besteht aus 14 Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei und des Zolls. „Wir sind immer fünf Tage am Stück auf See und sitzen nicht in der Einsatzzentrale, um in Hektik loszufahren, wenn ein spannender Fall auftaucht“, sagt Moll. Auch an Bord geht es anders zu als im Fernsehen. „Der Kapitän geht zum Beispiel nie von Bord, um zu ermitteln oder ein anderes Schiff zu kontrollieren. Auch das Kommando ,Volle Kraft voraus‘ gibt es bei uns nicht, weil die Dieselmaschinen langsam hochgefahren werden müssen“, sagt Moll.

Andere Handlungselemente entsprechen dagegen durchaus der Realität. „Ich kenne tatsächlich die Ehe- und Familienprobleme fast aller meiner Mitarbeiter. Wenn 14 Leute fünf Tage lang auf so engem Raum zusammen sind, bleibt das nicht aus“, sagt Moll, der von der Besatzung nicht mit „Kapitän“, sondern mit dem Vornamen angeredet wird. Noch eine Gemeinsamkeit gibt es: Wie in der Fernsehserie ist auch bei der echten Küstenwache der Schiffskoch für die medizinische Notfallversorgung zuständig. „Kein Problem, ich kann ja schon aufgrund meines Berufes Blut sehen. Eine Entbindung auf See hatte ich allerdings noch nie“, sagt Klaus Posing, der Koch auf der BP 23 „Bad Düben“. Damit grobe Fehler bei der Darstellung der Arbeit der Küstenwache vermieden werden, berät der ehemalige Küstenwachboot-Kommandant das Filmteam.

Auch Helmut Kramer kennt den Spagat zwischen Film und Realität. Der ehemalige Pressesprecher der Bundespolizei See begutachtet seit 1997 die Drehbücher und kontrolliert die Rohschnittfassungen auf Schnitzer. „Anfangs habe ich viel mit den Filmleuten diskutiert. Inzwischen habe ich gelernt, dass es bei der Filmproduktion weniger um realistische Darstellung des Arbeitsalltags als um Unterhaltung geht. Da ist eben Action gefragt“, sagt Kramer leicht resigniert.

Auch Antler und Moll finden: „Das hat mit unserer Arbeit wenig zu tun, aber es ist nette Unterhaltung mit schönen Bildern und eine tolle Werbung für die Bundespolizei See.“