Umweltminister muss die Bevölkerung auf der Suche nach einem Endlager einbeziehen. Gelingt ihm das? Brunsbüttel hat als Zwischenlager für aus England kommende Castoren einen besonderen Charme.

Brunsbüttel. Bundesumweltminister Peter Altmaier hat ein großes Problem und sich deshalb nach Brunsbüttel aufgemacht. Hier warb der CDU-Politiker am Dienstag bei der Bevölkerung und der schleswig-holsteinischen Landesregierung dafür, mindestens einen Teil der in England wartenden Castorbehälter im Zwischenlager des abgeschalteten Kernkraftwerks zu lagern. Dazu hat sich der Landtag in Kiel mit breiter Mehrheit bereit erklärt – aber seit knapp drei Wochen ist die Sachlage kompliziert. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig hat die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager kassiert, weil der Nachweis fehlt, ob es auch einem schweren Terrorangriff standhalten würde.

Sich nicht zu drücken, das hat für den Bundesumweltminister bereits Tradition. Er hat unmittelbar nach Amtsantritt das Zwischenlager Gorleben und das marode Endlager Asse bei Wolfenbüttel besucht – inklusive Dialog mit der aufgebrachten Bevölkerung. Altmaier stellte sich folgerichtig auch in Brunsbüttel den Fragen der Bürger, ging das Problem mit dem hochradioaktiven Müll betont optimistisch an. Erst einmal müsse man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann über Rechtsmittel beraten. Aus seiner Sicht bleibt Brunsbüttel ein geeigneter Standort für Castoren. Misstrauischen Fragern versicherte er, es gehe nicht darum, durch die Genehmigung als Zwischenlager quasi durch die Hintertür ein Endlager für Castoren zu schaffen. Er räumte aber auch ein, dass offen ist, ob die Endlagersuche so schnell erfolgreich ist, dass es bei der Befristung der Zwischenlager auf 40 Jahre bleiben kann. Die Chance liege bei 40 bis 60 Prozent. Angepeilt wird die Entscheidung über einen Standort im neuen Suchgesetz für das Jahr 2031.

Das OVG Schleswig hat die alte Genehmigung widerrufen, weil das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sich geweigert hatte, geheime Unterlagen über einen Nachweis des Schutzes vor Terrorangriffen vorzulegen – etwa mit einem modernen großen Passagierjet wie dem Airbus A380.

Das BfS ist eine weisungsabhängige Bundesbehörde, die Altmaier direkt untersteht. Und so freundlich-jovial er auch in Brunsbüttel wieder auftrat, Altmaier steht bei der Suche nach Zwischenlagern für insgesamt 26 Castoren aus England und Frankreich mächtig unter Druck. Der Verzicht auf weitere Transporte ins zentrale Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen ist Bestandteil des großen Atomkompromisses. Für weniger war die niedersächsische Zustimmung zum Endlagersuchgesetz nicht zu haben. Der Bundesrat hat vergangenen Freitag mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und FDP dieses Gesetz endgültig auf den Weg gebracht.

Nach Jahrzehnten mit einem parteipolitischen Schwarze-Peter-Spiel sind sich bis auf die Linke alle Parteien einig, die Endlagersuche noch einmal ganz neu zu starten – zwar unter Einschluss von Gorleben aber eben auch Standorten in anderen Formationen wie Ton und Granit bundesweit.

Neben dem rot-grün-regierten Schleswig-Holstein hat sich auch das grün-rot-regierte Baden-Württemberg bereit erklärt, Castoren am Standort eines Kernkraftwerks zu lagern. SPD und Grüne bestehen aber darauf, dass ein drittes Bundesland mit einem CDU-Ministerpräsidenten ebenfalls mitmacht. Vor der Landtagswahl in Hessen und Bayern im September und der Bundestagswahl im gleichen Monat ist allerdings mit Entgegenkommen nicht zu rechnen. Altmaier spielt deshalb auf Zeit und versucht, so lange wenigstens Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bei der Stange zu halten. Er sei mit anderen Bundesländern im Gespräch, verriet er am Dienstag, wollte über Details aber nichts sagen. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck begleitete Altmaier in Brunsbüttel, aus seiner Sicht „verzögert der Bundesminister die Entscheidung aus taktischen Gründen“.

Zwar sieht das Atomrecht eigentlich vor, dass allein der Bund entscheidet, und in der Vergangenheit hat es auch immer wieder Weisungen gegeben, mit denen etwa Niedersachsen gezwungen wurde, das Endlager Schacht Konrad für schwach- und mittelaktive Abfälle zu genehmigen. Im neuen Endlagersuchgesetz aber wird den Ländern erstmals ein Vetorecht eingeräumt. Altmaier muss also Überzeugungsarbeit leisten.

Brunsbüttel hat als Zwischenlager für aus England kommende Castoren einen besonderen Charme. Es liegt direkt am Meer, mit weniger als zwei Kilometer Schienenstrecke ab Hafen. Spektakuläre Protestaktionen werden hier kaum möglich sein.