Fischer Eckhard Panz lebt mit seiner Familie noch vor dem Deich. Das wurde ihm zum Verhängnis. Das große Aufräumen hat begonnen. „Das Jahr ist gelaufen“, sagt der Fischer. „Ich mache mich aber nicht verrückt.“

Hohnstorf. Zumindest braucht er inzwischen keine Gummistiefel mehr, wenn Eckhard Panz die Tür seines Elternhauses öffnet. Das Wasser ist weg, die Fußböden sind rausgerissen. Jetzt ist die Hitze da von vier Trocknungsgeräten, die das Haus wieder bewohnbar machen sollen. Seit mehr als 300 Jahren steht das Gebäude am Fischerzug in Hohnstorf gleich an der Elbe. Im Juni stand es zum ersten Mal in seiner Geschichte unter Wasser.

In kräftigen Arbeitsschuhen, Jeans und blauem Hemd stapft der große blonde Mann durch das Lager seines Betriebs. Panz ist Fischer, wie es die Männer seiner Familie seit Jahrhunderten sind. Bis ungefähr zum Jahr 1700 lässt sich die Fischerfamilie in Hohnstorf nachweisen, schon immer haben sie an dieser Stelle gearbeitet und gelebt. Diese Stelle, das ist der Fischerzug. Dort, wo die Elbe vor Jahrhunderten Sand abgelagert hat, wo bis heute kein Deich die Häuser schützt. Weil er hinter ihnen liegt und nicht vor ihnen.

Panz zeigt auf einen Haufen in der Ecke des dunklen Schuppens. „Den Berg muss ich auch noch rausbringen“, sagt er und erklärt, dass der Berg aus Fischreusen mit Holzbügeln besteht. Gut 3000 Reusen haben sich in den vergangenen 60 Jahren hier angesammelt, die neuesten mit Kunststoffbügeln kosten 1000 Euro das Stück. Nach und nach muss der Fischer die Netze nun nach draußen bringen zum Trocknen.

Seit 65 Jahren verkauft die Familie ihren Fang auf dem Markt in Uelzen

Nebenan, im Haus seiner Eltern, kann der 47-Jährige ohnehin gerade kaum mehr machen als abzuwarten, bis die Trockner ihre Arbeit erledigt haben. Fischen kann er derzeit auch nicht, dafür steht das Elbwasser noch immer zu hoch.

Seine Eltern, Ende 70, sind vorübergehend in eine Ferienwohnung des Sohnes gezogen. Mit der Vermietung an Touristen verdient die Familie sonst etwas dazu, weil sich von der Fischerei allein nur schwer leben lässt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern.

Bis 1940 hat es noch 40 Fischer gegeben in Hohnstorf, jetzt gibt es noch einen. Panz zahlt Pachtzins für die Elbe von Barförde bis Geesthacht, von Elbkilometer 563 bis 588, 25 Kilometer. Der nächste Berufskollege Richtung Dresden arbeitet in Gorleben, der andere Richtung Hamburg in Hoopte.

Seine Brotfische sind Aal und Zander, seit einiger Zeit verkauft er auch die Wollhandkrabben, die er aus dem Fluss zieht – eingewandert aus Asien. Lange galten sie als Schädlinge und Abfall, mittlerweile verdient Panz an ihr. Seit 65 Jahren verkauft die Familie ihren Fang auf dem Markt in Uelzen. Werbung zu machen brauchte der Fischer bislang nicht, seine Familie hat Kunden in dritter Generation. Jetzt hofft Panz, dass er sie behält – trotz der Zwangspause.

Der Fischer überlegt, ob er eine Mauer bauen soll um das Elternhaus, vielleicht ließe sich auch eine Drainage legen mit Sickerschächten. So hat’s der Nachbar gemacht, „der hat beim Hochwasser noch Blumen gegossen“, sagt der Familienvater und guckt in seinen Innenhof, in dem die Wände immer noch erzählen, bis wohin das Wasser stand.

Mit sechs Jahren saß Eckhard zum ersten Mal mit seinem Großvater im Fischerboot auf dem familieneigenen Teich mit Karpfen, Hecht und Zander. Mit zehn hatte er die ersten eigenen Reusen, fing 100 Aale im Jahr. „Fischen war schon immer mein Ding“, sagt er und erinnert sich an bessere Zeiten als diesen Sommer. Das größte Ding war wohl ein Wels, vor zehn Jahren haben sein Vater und er ihn aus der Elbe gezogen. 157 Zentimeter lang, 30 Kilogramm schwer: Den Kopf hat die Familie präparieren lassen.

Panz vermisst Unterstützung: „Fischer haben keine Lobby“

„Ein bisschen Deko muss ja auch sein“, sagt Eckhard Panz und hängt die Trophäe zurück an die Wand, auf der die alten Fotos und Zeitungsausschnitte über den Wahnsinnsfang gerade fehlen, weil bald eh der Maler kommt und das ganze Erdgeschoss neu streichen muss.

Wie hoch der Schaden an Privathaus und Betrieb sein wird, kann er noch nicht schätzen. Die meiste Arbeit wird er selbst erledigen, um Kosten zu sparen. Gerade erst vorige Woche waren 15 Helfer da, um die Dielen in der Wohnung seiner Eltern herauszureißen.

Dafür ist Panz dankbar. Ansonsten vermisst er die Unterstützung einer Lobby, „die haben Fischer nicht so wie die Bauern“. Dabei sei es doch gerade die moderne Landwirtschaft, die mit für die Hochwässer an den Flüssen verantwortlich sei.

„Das Jahr ist gelaufen“, sagt der Fischer. „Ich mache mich aber nicht verrückt.“ Jeden Tag ein bisschen, das ist seine Devise, um nicht irre zu werden ob der Vorstellung von all der Arbeit, die noch vor ihm liegt. „Ich wurste mich durch, es geht weiter. Und das nächste Wasser kommt bestimmt.“