Leitmesse der Branche kommt 2014 in die Hansestadt. Husum erhält kleinere Veranstaltung - und eine Entschädigung. In der Wirtschaft stieß die Einigung auf ein positives Echo.

Rendsburg/Hamburg . Nur wenige Stunden bevor Olaf Scholz vor gut zwei Wochen nach Südamerika abflog, musste der Hamburger Messechef Bernd Aufderheide überraschend seine lange geplante Mitreise stornieren. Der Hamburger Bürgermeister hatte verlangt, so heißt es, dass der städtische Geschäftsführer den "Windkrieg" mit Husum beende, bevor er durch die Welt reise. Offenbar haben Aufderheide und alle anderen Verantwortlichen die aufgetragenen Hausaufgaben erledigt: Das bisweilen wie ein bösartiger Nachbarschaftsstreit über den Maschendrahtzaun wirkende Gezerre um den Standort für die große norddeutsche Windmesse ist beigelegt. Und Hamburg, anders kann man das Ergebnis kaum werten, steht als Sieger da. Denn die große internationale Leitmesse der Windindustrie wird von September 2014 an in der Hansestadt ausgerichtet und nicht mehr in Husum. In der nordfriesischen Kreisstadt gibt es dafür von 2015 an alle zwei Jahre eine nationale, also deutlich weniger bedeutende Windmesse. Von einer Trennung in Offshore- und Onshore je nach Messe ist dabei nun aber keine Rede mehr.

Die großen deutschen Unternehmen sollen ihre Teilnahme in Husum bis 2019 zugesagt haben. Außerdem, so die Einigung, wird eine gemeinsame Messegesellschaft gegründet, die die Leitmesse in Hamburg ausrichtet, sprich: Husum verdient weiter mit. Für die Absage der Messe 2014 in Husum zahlt Hamburg eine Entschädigung. Von vier Millionen Euro ist die Rede.

Die Hamburger Vertreter, Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und Messechef Aufderheide, gaben sich redlich Mühe, den Kompromiss bei einer Pressekonferenz zusammen mit Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und dem Husumer Messechef Peter Becker als gute Lösung für alle darzustellen. Dass man den vom Vorsitzenden des Unternehmensverbandes Nord, Uli Wachholtz, ausgehandelten Kompromiss in Rendsburg und nicht in der Hamburger Zentrale des Verbandes bekannt gab, mag auch als Geste des guten Willens der Hamburger zu verstehen sein.

"Die Lösung entspricht den Wünschen der Branche", sagte Wachholtz. Die "großen Player" wollten lieber nach Hamburg als in das mit der Boom-Messe an seine Grenzen gestoßene Husum. Der Kieler Wirtschaftsminister Meyer betonte, dass Husum und Hamburg angesichts der internationalen Konkurrenz nur gemeinsam eine Chance hätten. Letztlich bestimme nicht die Politik, zu welchen Messen Unternehmen gehen, sondern die Branche. Mit anderen Worten: Weil die meisten großen Firmen Hamburg als Standort bevorzugten, hatte Husum keine reelle Chance mehr. Sowohl Meyer als auch der Hamburger Wirtschaftssenator Horch betonten, wie froh sie über die Einigung seien. "Das ist ein Meilenstein für die Zusammenarbeit unserer Länder, die wir über die bisherigen Ansätze hinaus weiterentwickeln wollen", sagte Horch.

In der Wirtschaft stieß die Einigung auf ein positives Echo. "Den Kompromiss erachten wir als kluge Entscheidung und Win-Win-Lösung für alle", sagte der Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz. "Eindeutiger Gewinner ist Norddeutschland."

Michael Westhagemann, Chef des Industrieverbands Hamburg, begrüßte den Fortbestand der traditionellen Windmesse in Husum: "Es ist ein Glücksfall, dass es gelungen ist, die Qualitäten Husums, insbesondere die unmittelbare Nähe zu Windparks, im Rahmen eines norddeutschen Messestandortkonzepts für die internationale Windleitmesse einzubeziehen."

In Schleswig-Holstein stieß der Kompromiss erwartungsgemäß bei der Regierungsparteien SPD und Grüne auf Zustimmung - bei der Opposition dagegen auf harsche Kritik. "Das ist kein Kompromiss, das ist eine feindliche Übernahme zum Schaden einer ganzen Region", sagte der Kieler CDU-Fraktionschef Johannes Callsen. "Es ist eine Schande, dass SPD, Grüne und SSW sich für dieses Verhandlungsergebnis auch noch feiern lassen wollen." FDP-Energiepolitiker Oliver Kumbartzky bezeichnete den Kompromiss als "herben Schlag für den Messestandort Husum", und die Zusage einer nationalen Messe als "sehr kleines Trostpflaster".

Der Hamburger SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sprach dagegen von einer "guten Nachricht für beide Standorte und die gesamte Metropolregion". Es sei um die Frage gegangen, "wie wir die europäische Leitmesse für Windenergie in Norddeutschland halten können und sie nicht etwa nach Spanien oder Schottland abwandern lassen". Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan warf dem Senat vor, einen Kompromiss mit "arroganter und halsstarriger" Art zu lange herausgezögert zu haben.

Für Hamburg bringt die Einigung vermutlich auch einen weiteren Vorteil. Zwar bestritt Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Meyer jeden Zusammenhang, gab dann aber bekannt: Am Dienstag wolle das Kieler Kabinett darüber beraten, ob Hamburg seinen Hafenschlick wieder vor der schleswig-holsteinischen Küste verklappen dürfe.