Belegschaft des SPD-Landesverbands fordert mehr Geld und droht im Wahlkampfjahr mit Streik. Landesvorsitzender Ralf Stegner sagt unverdrossen: “Wir sind die Partei der guten Arbeit und der guten Löhne.“

Kiel. 8,50 Euro: Das ist der Mindestlohn für Aushilfskräfte, der bei der SPD Schleswig-Holstein das untere Ende des Gehaltsgefüges markiert. Die 26 Beschäftigten des Landesverbands finden dies und den Blick aufs eigene Gehaltskonto wenig erbaulich, deswegen droht nun ein Streik. Denn die Sozialdemokraten wollen im Land gerade einen ganz anderen Mindestlohn durchsetzen. 9,18 Euro sollen Unternehmen zahlen, wenn sie in Zukunft einen Auftrag der öffentlichen Hand bekommen sollen. So steht es im Entwurf eines Tariftreuegesetzes, über das demnächst der Landtag abstimmen wird. Zugespitzt formuliert: Wäre die SPD eine Straßenbaufirma, bräuchte sie sich nach Verabschiedung des von ihr mitformulierten Gesetzes gar nicht erst um Ausschreibungen der Kommunen zu bemühen.

Mit dieser Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit steht die Partei der sozialen Gerechtigkeit, wie sie sich selbst gern bezeichnet, durchaus nicht allein. Soziale Organisationen neigen offenbar dazu, ihren Mitarbeitern genau das vorzuenthalten, was sie für andere erkämpfen wollen. Beispiel Kirche: Die Diakonie Himmelsthür im niedersächsischen Hildesheim machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen, weil sie für ihre rund 2000 Beschäftigten einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Ver.di abschloss, der deutliche Lohnerhöhungen beinhaltete. Nach jahrelangen Nullrunden fand man, dass die Beschäftigten das verdient hätten.

Prompt gab es Gegenwind von der Kirche. Die tritt zwar für gute Arbeitsbedingungen ein, aber offenbar gilt das nicht fürs eigene Haus. Die Diakonie Himmelsthür müsse aus dem kirchlichen Arbeitgeberverband ausgeschlossen werden, forderte dessen Vorsitzender Hans-Peter Hoppe im vergangenen November: "Der Ver.di-Vertrag ist nichts als ein Lockvogelangebot, durch das der kirchliche Tarifverbund des Dritten Wegs unterminiert werden soll." Dieser Dritte Weg, bei dem die Diakonien unter Ausschluss von Gewerkschaften direkt mit den Beschäftigten übers Geld verhandeln, führt offenbar dazu, dass das Geschäftsmodell funktioniert - denn die Löhne bleiben niedrig.

Aber auch bei Gewerkschaften gibt es immer wieder Tarifärger im eigenen Haus. Ver.di machte 2010 mit der Forderung Furore, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes müssten fünf Prozent mehr Lohn bekommen. Motto: "Jetzt gemeinsam - Krise bekämpfen - Kaufkraft stärken." Die Kaufkraft der rund 3800 Ver.di-Mitarbeiter war der Gewerkschaft nicht so wichtig. Mehr als ein Plus von 1,5 Prozent wollte man den eigenen Leuten nicht zubilligen. "Ver.dis Verhalten ist eine Unverschämtheit", sagte damals Manfred Lesch, Ver.di-Mitglied und Chef des Verbands der Gewerkschaftsbeschäftigten.

Nun also die SPD in Schleswig-Holstein. Deren Landesvorsitzender Ralf Stegner sagt unverdrossen: "Wir sind die Partei der guten Arbeit und der guten Löhne." Bei Ver.di sieht man das ein bisschen anders. Verhandlungsführer Dieter Altmann versucht seit November, die Partei der sozialen Gerechtigkeit zu einem Tarifabschluss für die 26 Beschäftigten zu bewegen. Vergebens. "Es hat nicht einmal ein offizielles Angebot der SPD gegeben", so Altmann. 6,5 Prozent Gehaltserhöhung, mindestens aber 200 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten - das ist die Kernforderung der Gewerkschaft. Mit dem SPD-Schatzmeister Jörg Wenghöfer, so Altmann, habe man sich auf nichts einigen können. Und als dann im Februar der SPD-Landesgeschäftsführer Christian Kröning einen Vorschlag gemacht habe, "den man gar nicht so leicht hätte ablehnen können", sei der vom Landesvorstand der Partei gleich wieder einkassiert worden. Was dann kam, muss der SPD richtig wehgetan haben. Im Kieler Legienhaus, Schauplatz unzähliger Parteiveranstaltungen, beschlossen die Beschäftigten am vergangenen Donnerstag, ab dem 15. Mai zu streiken - wenn bis dahin keine Einigung erzielt worden ist.

Ver.di-Verhandlungsführer Altmann: "Die SPD ist zwar eine befreundete Organisation, aber deswegen genießt sie noch längst nicht Narrenfreiheit." Mehr als zehn Jahre lang hätten sich die Arbeitnehmer mit jährlichen Gehaltserhöhungen zwischen 0,25 und einem Prozent zufriedengegeben und damit wesentlich zur Haushaltskonsolidierung des Landesverbandes beigetragen. "Nun ist das Maß voll", so Altmann. Kurz vor der Kommunalwahl am 26. Mai, kurz vor der Bundestagswahl im September sind unzufriedene Mitarbeiter nicht gerade Sieg-Garanten. Landesgeschäftsführer Kröning verkündete deshalb sogleich, man werde sofort nach dem Landesparteitag Ende April weiter verhandeln. Dort soll ein neuer Schatzmeister gewählt werden. Und einen neuen Mindestlohn für Aushilfskräfte habe man doch schon angeboten: 10,50 Euro pro Stunde.