Günter Pietz hat zehn Jahre mit Behörden gekämpft. Um eine Garage, 4000 Euro und den Gleichheitsgrundsatz

Mechtersen. Umgeben von Feldern, Pferden und Koppeln liegt es, das Dorf, in dem der Mann mit dem langen Atem wohnt. Der viereinhalb Jahre warten musste, bis er die Steine für eine Garage bestellen durfte. Und doppelt so lange, bis er wusste, dass er die Rechnung seiner Gemeinde über einen Kanalbaubeitrag nicht bezahlen muss.

Günter Pietz heißt der Mann, und er erzählt die Geschichte vom Kampf des unbeugsamen Bürgers.

Wer sie sich anhören möchte, den führt der Rentner ohne Umweg auf den hinteren Teil seines Grundstücks am Rande des 650-Einwohner-Dorfs - denn wer nicht selbst sieht, worum es eigentlich geht in den Hunderten Schriftstücken aus den vergangenen zehn Jahren zwischen ihm, seinen Anwälten, der Gemeinde, der Samtgemeinde, dem Landkreis, der Regierungsvertretung, dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht, der wird es kaum glauben.

Harmlos fängt die Geschichte an, wie jedes Mal, wenn etwas verdammt schiefgeht zwischen Bürgern und Behörden: 1976 kauft der Polizeibeamte das Grundstück Am Hainbuchenfeld 4. Baut ein Haus, hat kein Problem. Jedenfalls keins, das vor Gericht landet.

Das bekommt er 25 Jahre später, als er ein zweites Haus bauen will. Sein Pech in diesem Fall: Der Nachbar ist der Bürgermeister.

"Was ich erlebt habe, ist der Wahnsinn pur", sagt der 71-Jährige, als er im Frühjahr 2013 auf der frisch gepflasterten Auffahrt zu seiner Garage steht. Dass die durch den langen Winter immer noch nicht fertig ist, kann den Bauherrn nicht schocken. Was sind schon ein paar Monate. Günter Pietz denkt in ganz anderen Zeiträumen.

Die Zusammenfassung seiner Geschichte hat er dabei, wenn er Gäste auf sein Grundstück führt. Er will nicht nerven mit Details, lieber aus langen Reden kurzen Sinn machen.

Zum Beispiel, dass er 530 Euro zahlen musste, weil sein Bürgermeister-Nachbar vor gut zehn Jahren einen Baustopp für Pietz' zweites Haus beantragte, als der die Aushubarbeiten beginnen ließ, obwohl sein Bauänderungsantrag bei den Behörden noch nicht durch war: von dem bereits bewilligten Einfamilienhaus zum Zweifamilienhaus mit ausgebautem Dach.

"Bauverhinderungsbehörde", schimpft Pietz, doch das Ganze verläuft im Sande. Anstatt einer Baustoppverfügung liegt eines Tages die Genehmigung des Änderungsantrags in seinem Briefkasten. Und das 530-Euro-Bußgeld für seine Ordnungswidrigkeit. Und, ein paar Monate später, ein Bescheid über die Heranziehung zum Kanalbaubeitrag in Höhe von 3739,80 Euro. Das Bußgeld zahlt er, den Kanalbaubeitrag nicht.

Dann will Pietz für seine Mieter eine Garage bauen. Zehn Jahre ist es jetzt her, dass der pensionierte Beamte des Bundesgrenzschutzes wieder im Büro seiner Samtgemeinde steht. Und einen Bauantrag für eine Garage mit Nebenräumen stellt, ganz hinten auf seinem Grundstück, dort, wo der Nachbar der Bürgermeister ist.

Die Samtgemeinde Bardowick lehnt den Antrag ab, der Bürgermeister der Gemeinde unterschreibt den Brief. Begründung: Die Garage liege zu weit weg von der Straße.

Kurz danach erfährt der Grundstücksbesitzer, dass die Gemeinde den Bebauungsplan für seine Fläche ändert: Der hintere Teil wird zu privater Grünfläche. Pietz darf dort nichts mehr bauen, keine Nadelgehölze in Reihe pflanzen und muss pro 300 Quadratmeter mindestens einen hochstämmigen Obstbaum oder standortheimischen Laubbaum pflanzen. "Bei der Ratssitzung kam ich mir vor wie im Ohnsorg-Theater. Kasperle ist nichts dagegen", sagt Pietz kopfschüttelnd - und wird ernst: "Das verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus dem Grundgesetz."

Die Garage wird abgelehnt - mit Verweis auf die neuen Vorschriften. Pietz nimmt sich einen Anwalt, legt Widerspruch ein, bekommt die Ablehnung, klagt. Es gibt einen Ortstermin, heraus kommt ein Vergleich. Im Oktober 2007 kommt das Schreiben: Er darf seine im Frühjahr 2003 beantragte Garage bauen - kleiner als geplant. An dieser Stelle könnte die Geschichte vom unbeugsamen Bürger zu Ende sein. Aber der streitbare Pensionär hatte sich "festgebissen", wie er sagt, festgebissen am Unrecht. Unrecht wie dem Bebauungsplan, den ihm die Gemeinde verpasst hat - und der 4000-Euro-Rechnung aus dem Jahr 2003.

Seine Taktik: Bauvoranfrage für Gartenlaube und Gewächshaus, Ablehnung, Widerspruch, Ablehnung, Klage. Das Urteil, 23 Seiten stark und im Herbst 2011 formuliert, gibt dem Bürger recht. Die Änderungen im Bebauungsplan sind unwirksam. "Da die Gemeinde bei der Bauleitplanung auch an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz gebunden ist, darf sie nicht ohne sachlichen Grund einem einzelnen Grundstückseigentümer bauliche Nutzungsmöglichkeiten entziehen, die seinen Grundstücksnachbarn erhalten bleiben", formulieren die Richter.

Ein Jahre später ist auch der letzte Rechtsstreit von Günter Pietz und den Behörden beendet: Nach einem für Pietz positiv gefällten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zieht die Gemeinde ihren Bescheid über den Kanalbaubeitrag zurück. Und dieser Frühling wird der erste nach zehn Jahren sein, in dem Günter Pietz sich in Ruhe um seinen Garten kümmern kann - ohne regelmäßige Überraschungen im Briefkasten.

Vermutlich, jedenfalls.