Europaabgeordneter aus Hasenmoor zum Landesvorsitzenden gewählt. Auch Grüne, FDP und Piraten trafen wichtige Personalentscheidungen.

Neumünster/Kiel . Reimer Böge ist neuer Vorsitzender der CDU Schleswig-Holstein. Beim Landesparteitag in Neumünster votierten am Sonnabend 274 von 281 Delegierten für ihn - ein Zustimmungswert von 98,56 Prozent. "Lieber Reimer, dieses Ergebnis habe ich nie geschafft", sagte der ehemalige Landeschef Peter Harry Carstensen, der zum Ehrenvorsitzenden der Nord-CDU ernannt wurde.

Gleich vier Parteien hatten sich das zurückliegende Wochenende für wichtige Personalentscheidungen auserkoren. In Eckernförde wählten die Landes-Grünen neben Ruth Kastner den Ökolandwirt Peter Stoltenberg zu ihren beiden Landesvorsitzenden. In Kiel setzte die FDP ihr Zugpferd Wolfgang Kubicki und den ehemaligen Gruner & Jahr-Vorstandschef Bernd Buchholz auf die Plätze eins und zwei ihrer Landesliste für die Bundestagswahl im September. Die Piraten machten ebenfalls in Kiel ihren Generalsekretär Heiko Schulze zum Spitzenkandidaten.

In der Neumünsteraner Holstenhalle boten die Christdemokraten ein Bild der Geschlossenheit. Böge war einziger Kandidat für das Amt des Landeschefs. In seiner Bewerbungsrede forderte der 61-Jährige eine Neuausrichtung seiner Partei - ohne dabei Bewährtes über Bord zu werfen. "Wir brauchen mehr Frauen und junge Leute", sagte er. Ganz wichtig seien die Finanzen. Die CDU hat Schulden in Höhe von einer Million Euro. "Wir müssen den Parteihaushalt in einem Kraftakt sanieren, sonst können wir alles andere vergessen", sagte er. Böge warb mit seinen Erfahrungen als Abgeordneter um die Stimmen der Delegierten. Seit 1989 ist er Mitglied des Europaparlaments. "Wer Polen, Griechen und Italiener trotz schwieriger Mentalitätsunterschiede zusammenführen kann, dem sollte das auch bei Dithmarschern, Kielern und Lauenburgern gelingen."

Der Landwirt aus Hasenmoor (Kreis Segeberg) verwies auch auf seine außerparteilichen Aktivitäten in der Holstenhalle. "Ich habe hier schon Bullen am Nasenring herumgeführt und sie dahin dirigiert, wo sie eigentlich nicht hinwollten", sagte er unter dem Gelächter der Parteifreunde. Böge betonte mehrfach, dass die CDU keine Personalprobleme habe. Damit spielte er auf die nicht ganz einfache Situation an, die Anfang Januar nach dem überraschenden Rücktritt seines Vorgängers Jost de Jager entstanden war. Über Tage hinweg gab ein namhafter Christdemokrat nach dem anderen zu Protokoll, er habe kein Interesse am Posten des Landesvorsitzenden. Auch Böge gehörte dazu. In der Holstenhalle sagte er nun: "Der Vorwurf, die CDU habe keine Kandidaten, war schlichtweg Quark." Und fuhr fort: "Wenn die Jüngeren nicht ins Geschirr wollen, müssen wir Älteren es tun." Falls diese Jüngeren glauben sollten, Böge sei nur ein Übergangskandidat und lasse sich bald beerben, könnten sie sich getäuscht haben. Der 61-Jährige sagte: "Ich habe in den letzten Wochen richtig Lust bekommen, diese Aufgabe zu übernehmen."

Reimer Böge ist seit 1989 Europaabgeordneter und will 2014 erneut für dieses Amt kandidieren. Von Dienstag bis Donnerstag wird er seiner Arbeit in Brüssel nachgehen. Böge ist in zweiter Ehe mit der gebürtigen Zypriotin Maria Kokkinou-Böge verheiratet. Aus erster Ehe stammen zwei erwachsene Kinder. Für seine Kandidatur hatte er grünes Licht von der Familie bekommen. In der Holstenhalle dankte Böge mit zittriger Stimme "den Dreien, die mir am wichtigsten sind".

Er bekam für seine Rede großen Beifall. Aber der Applaus für Peter Harry Carstensen war noch größer. Er wurde nach seiner Ernennung zum Ehrenvorsitzenden mit stehenden Ovationen gefeiert. "Was für eine Woche! Boah!", rief der gerührte Ex-Landesvater in den Saal, nachdem er zu den Klängen des Udo-Jürgens-Songs "Mit 66 Jahren" auf die Bühne geklettert war. Am Dienstag hatte er seinen 66. Geburtstag gefeiert, am Donnerstag war er von Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin mit dem großen Bundesverdienstkreuz geehrt worden. "Das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit", sagte er. "Alles, was ich erreicht habe, habe ich durch die CDU erreicht."

Die Delegierten entschieden auch über die Landesliste für die Bundestagswahl. Sie hat eher symbolische Bedeutung. Die CDU gewinnt meist viele Direktmandate, sodass die Listenkandidaten chancenlos sind.

Auf Platz eins wurde der Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul gewählt. Auf dem zweiten Platz steht der Bundestagsabgeordnete Ole Schröder (Kreis Pinneberg), danach folgen Alexandra Dinges-Dierig (Lübeck), die Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann (Kreis Segeberg) und Ingbert Liebing, Sabine Sütterlin-Waack aus Flensburg sowie die Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens, Philipp Murmann und Norbert Brackmann (Kreis Herzogtum Lauenburg). Auf Platz zehn rangiert Thomas Stritzl (Kiel). Gegenkandidaten gab es nicht.

Bei den Grünen wurde die Kielerin Luise Amtsberg, 28, zur Spitzenkandidatin gewählt. Danach folgen die Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (Kreis Herzogtum Lauenburg), Valerie Wilms (Kreis Pinneberg) und Arfst Wagner.

Die FDP zieht mit dem Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki in den Bundestagwahlkampf. Auf dem zweiten Platz setzte sich der Ahrensburger Bernd Buchholz ganz knapp (100 zu 97 Stimmen) gegen den Bundestagsabgeordneten Sebastian Blumenthal durch, der sich dann erfolgreich um den dritten Platz bewarb. Der Listenplatz vier ging an die Bundestagsabgeordnete Christel Happach-Kasan (Kreis Herzogtum Lauenburg).