Niedersachsens Innenminister Pistorius will die Härtefallkommission neu organisieren und verspricht Paradigmenwechsel

Hannover. Nächtliche Festnahme- und Abschiebeaktionen von abgelehnten Asylbewerbern soll es in Niedersachsen künftig nicht mehr geben. Der neue Innenminister Boris Pistorius (SPD) versicherte am Donnerstag im Landtag in Hannover, den versprochenen "Paradigmenwechsel" zu einer humaneren Flüchtlingspolitik werde man auch durch eine völlige Neuorganisation der Härtefallkommission umgehend durchsetzen.

Dass vier Tage nach seinem Amtsantritt am 19. Februar die Ausländerabteilung im eigenen Haus noch genau solch eine nächtliche Aktion durchführen ließ und dann sogar eine Familie aus dem Kosovo auseinanderriss, passt ihm gar nicht: "Darüber ärgert sich niemand mehr als der Innenminister selbst." Ausgerechnet in der Spitze des eigenen Ministeriums fehlt es nämlich offenkundig an der vom Minister am Donnerstag eingeforderten Sensibilisierung der Beamten für den Paradigmenwechsel. Und weil das offenkundig ist, nimmt Pistorius jetzt die eigene Fachabteilung an die kurze Leine: "Bis sich die Sensibilisierung weitgehend durchgesetzt hat, lässt sich die Hausspitze über die geplanten Abschiebungen vorher unter Darstellung des genauen Sachverhalts unterrichten."

Hintergrund für des Ministers Misstrauen: Bevor der Landkreis Lüchow-Dannenberg die fünfköpfige Familie Osmani nachts abholen ließ, fragte der Landrat im Innenministerium eben wegen des vier Tage zuvor erfolgten Machtwechsels nach, ob eine Verschiebung der Abschiebung gewünscht werde. Davon aber will Innenminister Pistorius nie erfahren haben. Der Referatsleiter habe ihn lediglich allgemein über geplante Abschiebungen von Personen informiert, die in Deutschland straffällig geworden waren. Als dann die Abschiebung der Familie erfolgen sollte, war der 16-jährige Sohn nicht zu Hause. Deshalb durfte der Vater bleiben, um auf seine Rückkehr zu warten, während die Mutter mit zwei kleineren Brüdern abgeschoben wurde. Das wiederum erinnert im Ablauf fatal an den Fall Gazale Salame, die hochschwanger und mit einjähriger Tochter im Jahr 2005 in die Türkei abgeschoben worden war, während der Vater und zwei ältere Töchter in Deutschland blieben. Erst vor wenigen Wochen konnte Gazale Salame nach Deutschland zurückkehren.

Jetzt versucht Innenminister Boris Pistorius, die Rückkehr von Mutter und den beiden Söhnen Osmani beim Auswärtigen Amt zu erreichen: "Ich hoffe, dass es schnell eine positive Entscheidung gibt."