Klamme Kommunen in Norddeutschland hoffen auf die Reform des Finanzausgleichs. 1,2 Milliarden Euro werden in diesem Jahr verteilt.

Kiel. Für Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) ist es die "anspruchsvollste Aufgabe" seiner Regierung: die Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Es geht in diesem Jahr um den gewaltigen Betrag von fast 1,2 Milliarden Euro, die das Innenministerium nach einem bestimmten Prinzip verteilt. Ein erster Konflikt ist schon erkennbar: Die Kommunen wollen die Reform offenbar nutzen, um dem Land mehr Geld als bisher abzuknöpfen.

Das Prinzip der großen Umverteilung ist im Finanzausgleichsgesetz (FAG), in der dazugehörigen, mittlerweile 43. Ausführungsanweisung und einem halben Dutzend Richtlinien festgehalten. Das sei "ineffizient", sagt Albig, und "intransparent" obendrein. Kaum einer verstünde noch die Wirkungsmechanismen, so Albig, schon allein deshalb müsse das Gesetz geändert werden. Jörg Bülow, Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Gemeindetags, hält hingegen Transparenz für gar nicht so wichtig: "Das brauchen nur die Kämmerer in den Stadtverwaltungen zu verstehen, und die verstehen das auch", sagt er.

Seit der Ankündigung der Koalition aus SPD, Grünen und SSW herrscht so etwas wie Goldgräberstimmung im Lande. Nicht wenige Kommunen hoffen, dass ein neues FAG ihre Finanzprobleme mit einem Schlag lösen könnte. Nach entsprechenden Äußerungen des Innenministers Andreas Breitner (SPD) ist besonders in den vier kreisfreien und mit hohen Schulden belasteten Städten Kiel, Lübeck, Neumünster und Flensburg die Erwartung groß, dass sie zu den Gewinnern der Neuregelung gehören könnten. Ein jüngst veröffentlichter Bericht des Innenministeriums zum FAG gibt dieser Hoffnung Nahrung. Dort heiß es: "Angesichts der heterogenen Finanzsituation im kommunalen Bereich stellt sich über die bislang getroffenen Maßnahmen zur Unterstützung defizitärer Kommunen hinaus grundsätzlich die Frage, ob auch die interkommunale Finanzverteilung aus heutiger Sicht noch sachgerecht und vertretbar ist." Mit anderen Worten: Wem es besonders schlecht geht, soll besonders viel bekommen.

Bülow kritisiert derartige Aussagen. "Ich verstehe nicht, dass einzelnen Kommunen schon jetzt versprochen wird, sie würden die Gewinner einer Reform sein", sagt er. Ralf Stegner, Chef der SPD-Landtagsfraktion, beschreibt das Ziel der Reform so: "Diejenigen, die viele Aufgaben zu erfüllen haben, sollen gestärkt werden. Dazu gehören nicht nur die großen, sondern auch die kleineren Städte, die Mittelzentren."

In der Tat sind viele dieser Städte momentan die Verlierer des Finanzausgleichs. Denn von den 1,2 Milliarden Euro werden fast 850 Millionen Euro als "Schlüsselzuweisungen" nahezu nach dem Gießkannenprinzip auf steuerschwache Kommunen verteilt. Etwas mehr als zehn Prozent dieses Betrags streichen allein die vier Städte Flensburg (11,3 Millionen Euro), Kiel (34,1), Lübeck (32,1) und Neumünster (10,1) ein. Diese Umverteilung ist vielleicht nicht gerecht, aber sie ist in ihrer Wirkungsweise ganz einfach zu verstehen. Die entscheidende Größe ist neben der Steuerkraft die Einwohnerzahl.

Die restlichen rund 350 Millionen Euro gehen unter anderem an besonders hoch verschuldete Kommunen oder Kreise (Konsolidierungshilfen), an Orte mit Theatern und Orchestern oder werden zu Hilfen für die Frauenhäuser. Rund 110 dieser 350 Millionen Euro werden für übergemeindliche Aufgaben (Zentralitätsmittel) ausgegeben.

Wer das Glück und das Können hat, besonders hohe Steuereinnahmen zu erzielen, bekommt von den erwähnten 850 Millionen Euro nicht einen Cent ab. Im Gegenteil: Er muss einen Teil seines Geldes an die anderen abtreten - in Form der Finanzausgleichsumlage. Er wird so zur Geberkommune, die den Nehmerkommunen unter die Arme greift. Beispiel Ahrensburg im Kreis Stormarn: 1,5 Millionen Euro muss die Stadt abliefern, im Gegenzug bekommt sie nur Geld aus dem FAG-Sondertopf der Zentralitätsmittel: knapp 820.000 Euro. Norderstedt (Kreis Segeberg) steht noch schlechter da: Die Stadt bekommt denselben Betrag aus dem Sondertopf, zahlt aber knapp vier Millionen Euro. Rellingen (Kreis Pinneberg) erhält rund 20.000 Euro - und zahlt 900.000 Euro FAG-Umlage.

Nur 79 der rund 1100 Kommunen im Land sind Geber. Die anderen nehmen.