Bei einem Machtwechsel in Niedersachsen würde SPD-Politikerin Anke Pörksen Justizministerin. Was sie vorhat

Hannover. In der vergangenen Woche hat der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) stolz das erste teilprivatisierte Gefängnis des Landes in Bremervörde eingeweiht. Kommt es bei der Landtagswahl am 20. Januar zu einem Machtwechsel in Niedersachen, wird die für das Justizressort nominierte Sozialdemokratin Anke Pörksen aus Hamburg zu prüfen haben, ob das Land aus den Verträgen aussteigen kann. So will es das SPD-Wahlprogramm - und auch den Grünen sind ÖPP-Projekte (Öffentlich-Private Partnerschaften) ein Dorn im Auge, insbesondere in einem so hochsensiblen Bereich wie dem Strafvollzug.

Nach Hamburger Vorbild will die 46-jährige Pörksen, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ), ein Transparenzgesetz in den Landtag einbringen. Und auch die direkte Bürgerbeteiligung will sie ausbauen und trifft sich bei diesem Anliegen mit dem erklärten Interesse des potenziellen Koalitionspartners. Heikel wird die wegen des Bevölkerungsschwunds absehbar unumgängliche Überprüfung der Gerichtsstandorte, wie sie vor allem die Grünen fordern. In den Programmen beider Parteien wimmelt es bei der Justizpolitik von Allgemeinplätzen über die "Notwendigkeit einer modernen Justiz", die an der Überlastung einzelner Gerichtszweige wenig ändern. Immerhin: Dank des neuen Bremervörder Gefängnisses hat Niedersachsen - auch wegen rückläufiger Insassenzahlen - keine Kapazitätsprobleme bei den Justizvollzugsanstalten und kann Einzelzellen für alle Häftlinge anbieten, die so untergebracht werden wollen. Eine Kürzung von Prozesskostenhilfe soll es unter Rot-Grün nicht geben.

In der Innenpolitik wird es im Falle eines Machtwechsels rasche Weichenstellungen geben - und zwar in zahlreichen Bereichen. Tausende von Polizisten hoffen, dass der SPD-Kandidat für das Innenressort, der Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius, sein Versprechen hält und den Beförderungsstau von A9 nach A10 und dann später zu A11 einhält. Mit 18.200 Beamten ist der Polizeiapparat so groß wie nie zuvor in der Geschichte des Landes. Und: Alle werden sich umstellen müssen.

Eine Organisationsreform gehört eigentlich zu jedem Machtwechsel und eine neue Koalition wird es sich nicht nehmen lassen, mindestens Teile des Maßnahmenbündelns aufzulösen, das Innenminister Uwe Schünemann unmittelbar nach Amtsantritt geschnürt hatte. Es läuft auf mehr Integration von Schutz- und Kriminalpolizei hinaus, und natürlich soll auch die Zahl der Verkehrstoten sinken. Eine rot-grüne Koalition wird im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten mehr Tempolimits einführen, hier muss neben dem Innenminister auch immer der Verkehrsminister mit ins Boot geholt werden.

Ein kompletter Umbau steht dem Verfassungsschutz bevor. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat nach 2003 die Landeszentrale für politische Bildung abgeschafft und große Teile ihrer Arbeit ausgerechnet auf den Geheimdienst verlagert. Mit diesem Ansatz stand Schünemann bundesweit allein, SPD und Grüne wollen dies abschaffen. Und die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sollen künftig den Fokus sehr viel stärker auf die Bekämpfung des Rechtsextremismus legen, statt, wie unter Schünemann, die Linkspartei zu beobachten. Verfassungsschutzchef Hans-Werner Wargel wird schon deshalb als politischer Beamter gehen müssen, weil er sich öffentlich gegen Kritik der Grünen-Spitzenkandidatin Anja Piel verwahrt hat, seine Abteilung sei ein "Scheißhaufen". Dass die Grünen ihre im Wahlprogramm enthaltene Forderung nach ersatzloser Abschaffung der Behörde nach einem Wahlsieg weiter verfolgen, ist nicht zu erwarten. Dem Parteiestablishment war die entsprechende Parteitagsmehrheit ohnehin eher peinlich.

Eine Zeitenwende steht ins Haus im Falle eines Machtwechsels, was den Umgang mit Asylbewerbern - und speziell mit abgelehnten Asylbewerbern - betrifft. Vor allem ist die Aufwertung der Härtefallkommission geplant, die derzeit nach Auffassung von SPD und Grünen nur eine Alibifunktion hat, statt sich an humanitären Gesichtspunkten zu orientieren.

Vielleicht noch wichtiger: Die Ausländerabteilung im Innenministerium ist vorgesetzte Behörde der Ausländerämter auf der Ebene der Kreis- und kreisfreien Städte: Wenn im Innenministerium in Hannover ein anderer liberaler Wind weht, schlägt sich das fast automatisch in den Entscheidungen der lokalen Behörden nieder bei drohenden Abschiebungen.