“Aufbruchssignal ist ausgeblieben“: Jost de Jager legt überraschend Landesvorsitz nieder

Kiel. Die CDU in Schleswig-Holstein steht zum zweiten Mal innerhalb von nur 18 Monaten ohne Landesvorsitzenden da. Jost de Jager, der Amtsinhaber, hat seinen Rückzug aus der Politik erklärt. Wer sein Nachfolger wird, ist unklar. Erst im August 2011 hatte die sogenannte Lolita-Affäre des damaligen CDU-Chefs Christian von Boetticher für einen vorzeitigen Wechsel an der Parteispitze gesorgt: Der Mann, der die CDU auch in die Landtagswahl führen sollte, hatte gestanden, eine Beziehung zu einer 16-Jährigen gehabt zu haben.

Jost de Jager, der die Parteiführung damals übernommen hatte, begründete seine überraschende Entscheidung am Dienstag unter anderem mit mangelndem Rückhalt in der Partei. "Das Aufbruchssignal ist ausgeblieben", sagte der 47-Jährige - und spielte damit auf den Landesparteitag der Nord-CDU im November an.

Damals war er mit nur etwas mehr als 81 Prozent erneut zum Landesvorsitzenden gewählt worden - ein dürftiges Ergebnis, das offenbar den letzten Ausschlag für die jetzt getroffene Entscheidung gegeben hat. De Jager sprach von einem "längeren Überlegensprozess über die Festtage", der ihn zu dem Schluss geführt habe, dass er zunächst eine "Auszeit" nehmen wolle. "Danach will ich mich anderen beruflichen Aufgaben widmen", sagte er. "Ich weiß, dass ich heute viele Menschen enttäusche, aber für mich ist es jetzt der richtige Zeitpunkt."

Seine Parteikollegen bedauerten die Entscheidung. Ingbert Liebing, einer der vier stellvertretenden Vorsitzenden der Nord-CDU, sagte: "Das ist ein schwerer Schlag für uns. Wir hätten die Zusammenarbeit mit ihm als Chef gern fortgesetzt." Selbstkritisch sagte er: "Mit diesem Rücktritt stellt sich auch die Frage, wie wir miteinander umgehen wollen."

Die CDU will nun laut Liebing einen "geordneten Diskussionsprozess über die personelle Neuaufstellung der Partei" starten. Die Zeit drängt. Am 26. Mai ist Kommunalwahl in Schleswig-Holstein. Bis zum 24. Januar sollen mögliche Bewerber für den Landesvorsitz gefunden werden. Diese könnten sich dann "der Parteibasis vorstellen", sagte Liebing. Bis zum 16. März soll feststehen, wer künftig an der Spitze der Nord-CDU stehen soll. Im Landeshaus wurde spekuliert, dass Liebing selbst einer der Bewerber sein könnte. Einer klaren Antwort wich er am Dienstag aus. "Es wird keine Schnellschüsse und Vorfestlegungen geben", sagte er.

Der politische Abstieg de Jagers begann schon mit der verlorenen Landtagswahl im Mai 2012, die die CDU nach zweieinhalb Jahren schwarz-gelber Koalition in die Opposition verbannte: Spitzenkandidat de Jager, bis dahin Wirtschaftsminister in Kiel, bekam nicht einmal einen Sitz im Landtag. Grund: Die CDU hatte so schlecht abgeschnitten, dass nur Wahlkreiskandidaten ins Parlament einzogen.

Damit begannen die Probleme des Landeschefs mit seiner Partei. Die Versuche, einen Landtagsabgeordneten davon zu überzeugen, auf sein Mandat zugunsten von de Jager zu verzichten, schlugen fehl. Im Herbst schaffte er es dann nur mit Mühe, CDU-Kandidat im Bundestagswahlkreis 1 zu werden. "Ich bin schon ein Stück verdrossen", sagte Jost de Jager bei seinem Rücktritt.