Wie lebt, wie arbeitet es sich an Bord eines U-Boots im Jahr 2013? Nicht so, wie man es sich vorstellt. Ein Fahrbericht

Eckernförde. An der Pier des Marinestützpunktes Eckernförde liegt das U-Boot U32 fest vertäut. Soldaten stehen auf dem Rumpf und rauchen. Die Ostsee ist an diesem Morgen still wie ein Teich, die Sonne strahlt auf den dunklen, 56 Meter langen Rumpf, der aus dem Wasser ragt. Heute geht es nur auf die Ostsee raus - Routine für die Besatzung und Kommandant Christian Moritz. Aber das große Abenteuer ist in Sicht: U32 wird am 10. Februar in Eckernförde ablegen, um als erstes Boot der modernen Klasse 212 A den Atlantik zu queren - zu einem ebenso anspruchsvollen wie prestigeträchtigen Manöver mit der US-Marine.

Die Mannschaft nimmt auf der Pier vor U32 Aufstellung, so ist das bei jedem Einsatz. "Guten Morgen, Besatzung", sagt der Kommandant. "Guten Morgen, Herr Kapitän", klingt es rau zurück. Nach Erläuterungen zum Tagesablauf folgt schließlich der Befehl "Besatzung auf Manöverstation". Über eine schmale Rollbrücke geht es an Bord. Ein enger Schacht mit fest verankerter Stahl-Trittleiter führt ins Bootsinnere, mit dem Rücken kann man sich an der Schachtwand abstützen. Über eine andere senkrechte Trittleiter klettern der diensthabende Wachoffizier und Moritz auf den Turm. Über Funk sind sie verbunden mit der Kommandozentrale unten im Boot, überwachen mit ihren Augen zusätzlich, was Radar und Sonar ohnehin an Daten liefern.

Nach einer "Verständigungsprobe" legt U32 ganz behutsam ab. Im Boot selbst ist nichts zu spüren oder zu hören: keine Bewegung, keine Fahrgeräusche. Sind wir schon unterwegs? Das Boot gleitet längst aus dem Hafen in die Eckernförder Bucht. In der Zentrale des U-Boots, einem rechteckigen Raum mit zahlreichen fest montierten Monitoren an den Wänden, arbeiten bis zu 15 Besatzungsmitglieder, einige tragen Kopfhörer. Im Boden sind graue Ledersessel verankert. Die Atmosphäre erinnert an einen Fluglotsen-Tower ohne Fenster. Licht spenden - wie überall im Boot - Leuchtstoffröhren, geschützt mit explosionssicherem Glas.

"Besatzung auf Tauchstation!", befiehlt der Kommandant, und die Männer wiederholen im Chor. "Fluten", "Fluten". Hoch konzentriert arbeiten die Männer, sagen laut, was gerade gemacht oder festgestellt wird: "Boot wird eingesteuert", "Sehrohr" - es fährt lautlos in der Mitte der Zentrale hoch und bietet noch in 13,5 Meter Tiefe einen Überblick über das Geschehen an der Oberfläche. "Sportboot in 2500 Metern", "Wie weit ist der Tender?" "Dreht schon wieder ab, kannst' vergessen."

Beim Blick durch eines der beiden Sehrohre stockt einem fast der Atem. Gestochen scharf ist der zwei Kilometer entfernte Campingplatz am Ostseeufer zu erkennen: Wohnwagen, Tische, Bäume, praktisch jedes Detail. "Zwölffacher Zoom", sagt Moritz und lächelt. Wenn das Boot tiefer als Sehrohrtiefe taucht, ist die Besatzung allein auf die hochmoderne Sonaranlage angewiesen, um zu erfahren, was sich an der Wasseroberfläche abspielt. "Wir sind halt blind, aber nicht taub", sagt Sonarmaat Arno Lawida. Der 26-jährige Obermaat und gelernte Elektroniker stammt aus der Nähe von Bonn. "Ich wollte immer zu den U-Booten." Natürlich kennen sie alle den Film. "Aber die Geschichte spielt im Zweiten Weltkrieg, das war eine ganz andere Zeit", sagt Lawida. Ihn reizt die kleine Besatzung, 28 Mann, "das ist wie eine Familie, jeder muss die Sicherheit für das Boot mit gewährleisten".

"Wie eine Familie", dieser Vergleich wird immer wieder angestellt, und es fallen die Worte "Zusammenhalt", "Kameradschaft". "Auch wenn man sich natürlich irgendwann auf den Sack geht", sagt Hauptbootsmann Timo Rösemann, 28, dessen längster Törn dreieinhalb Monate dauerte. Handys und Internet funktionieren nicht unter Wasser, da fiebert man dem nächsten Landgang entgegen.

Im äußersten Notfall müsste die Besatzung das Boot unter Wasser verlassen. Jeder an Bord hat einen orangefarbenen Rettungsanzug, der auch den Kopf umschließt. Darunter schützt eine Neoprenhaube. "Bis zu 24 Stunden kannst du damit in zwei Grad kaltem Wasser überleben", sagt Rösemann. Jedes Jahr üben die U-Boot-Fahrer den Aufstieg aus 33 Metern im "Tieftauchtopf", einem speziellen Tauchbecken in Neustadt (Schleswig-Holstein/Kreis Ostholstein). Zum Rettungsanzug gehören ein Funkgerät und eine kleine Pressluftflasche für den Auftrieb.

Platzangst kommt nicht auf in dem U-Boot. Der Hauptgang ist breit und hoch genug, um aneinander vorbeizugehen. Den Kopf muss niemand einziehen, die Luft ist nicht stickig, heiß oder verbraucht. Es herrscht eher Büroatmosphäre. "Auf Tauchfahrt ist das Klima sogar angenehmer, als wenn das Boot über Wasser geöffnet ist", erzählt ein Soldat.

Immerhin: Eine eigene Koje hat fast jeder, nur die Unteroffiziere müssen sich eine im Schichtwechsel teilen. Zwei Meter lang, 60 Zentimeter breit sind die Betten. Drei Kojen übereinander und etwa einen Meter gegenüber zur U-Boot-Außenwand zwei Kojen übereinander, acht Kojen je Bereich, 24 insgesamt. Als Einziger hat Moritz ein eigenes "Zimmer". Rund 150 bis 180 Tage im Jahr ist der 36-Jährige auf See unterwegs. Er ist verheiratet, der Sohn wird im März ein Jahr alt. Beim Blick über die Ostsee lässt sich "der Alte" auf dem Turm Zeit, bis er die Frage, was ihm der Dienst als Kommandant bedeutet, beantwortet: "Ich kann mir einen schöneren Beruf nicht vorstellen."