Erst geschmückt, dann zersägt: Im Werk Bützberg werden etwa 300.000 Hamburger Tannen verarbeitet, um die Biogasanlage zu betreiben.

Tangstedt. O Tannenbaum, wie schrecklich ist dein Ende - Vario zersägt ihn in 1000 kleine Stücke. Dieses Schicksal droht allen Weihnachtsbäumen aus Hamburg. Vario ist eine 450 PS starke Häckselmaschine und steht auf dem Gelände des Biogas- und Kompostwerks Bützberg hinter den nördlichen Stadtgrenzen der Hansestadt. Hier im schleswig-holsteinischen Tangstedt landen, wenn Weihnachten und Neujahr vorbei sind, etwa 300.000 der einst prächtig geschmückten Hamburger Christbäume.

Doch das Gemetzel ist nicht vergebens - sagt Bernd Töllner. Der 48-Jährige leitet die Anlage und ist Chef von 15 Mitarbeitern. Die sind damit beschäftigt, tonnenweise Biomüll auf dem dreizehn Hektar großen Gelände zu bewegen. Wie Vulkane dampfen warme Berge von Kompost vor sich hin. Das ist der große Vorteil im Winter: "Wenn es kalt ist, dann dampft es, stinkt aber nicht", sagt Töllner.

Den Kopf mit einem Helm geschützt steht er neben der Häckselmaschine. Das Holz der Nordmanntanne wird für die Produktion von Biogas, das in der Anlage aus Biomüll gewonnen wird, verwendet, berichtet der Ingenieur.

Doch zunächst muss ein Jahr vergehen. Schuld sind die Nadeln der Bäume, die erst abfallen müssen. "Wir können nur das Holz verbrennen", begründet Töllner. Erst wenn die Hamburger kommendes Weihnachten schon neue Christbäume in ihren Wohnzimmern stehen haben, kommen die jetzigen in die Brennkammer.

Der große Ofen beheizt 21 Fermentations-Räume in einer Halle. "Wir nennen sie Garagen", sagt Töllner. Dort entsteht das Biogas. Er betritt eine der finsteren Garagen und leuchtet den 24 Meter tiefen, sechs Meter breiten und 4,50 Meter hohen Raum mit einer Taschenlampe ab. Das Biogas entsteht, wenn Mikroben sich unter Luftausschluss durch Hamburgs Biomüll fressen. Dabei scheiden sie das Gas aus. Das Gemisch aus Methan, Kohlenstoffdioxid und Schwefelverbindungen strömt durch Öffnungen in Gasspeicher auf dem Dach. Die Mikroben brauchen für eine Mahlzeit - bis zu 200 Tonnen Biomüll passen in eine Garage - etwa drei Wochen.

Mindestens 60.000 Tonnen Biomüll sammelt Hamburgs Stadtreinigung jedes Jahr ein, sagt deren Sprecher Reinhard Fiedler. Er schätzt, dass jeder dritte der 900.000 Haushalte einen Christbaum aufstellt. Die dürfen aber nicht in der Biotonne entsorgt werden, sondern gehören an den Straßenrand. Nur so könne Bützberg sie effizient für die Biogas-Produktion verfeuern. Bis zum 25. Januar sammelt die Stadtreinigung die Christbäume kostenlos ein. Durch das Verbrennen der Weihnachtsbäume werden die Mikroben in den Garagen gewärmt. Denn die fressen am liebsten bei einer Temperatur von 38 Grad. Etwa 2800 Tonnen Holzmasse verfeuert die Brennkammer jährlich für die Gasaufbereitung. Die Hälfte davon könnte potenziell durch Hamburgs Christbäume gedeckt werden.

Auf dem Hallendach liegen drei zeppelinförmige Speicher. Dort strömt das Gas aus den Garagen hinein und weiter in eine Aufbereitungsanlage von Vattenfall. Das gereinigte Biomethan speist Vattenfall ins Erdgasnetz der Schleswig-Holstein Netz AG, über das auch Hamburg versorgt wird. Was vom Biomüll in den Garagen übrig bleibt, bringen die Mitarbeiter mit Baggern und Förderbändern in die sogenannte Rottehalle. Dort verrottet er zu humusreichem Kompost - bis vor kurzem das einzige Endprodukt in Bützberg.

Doch Hamburgs Stadtherren entschieden, Gas aus dem Biomüll rauszuholen. Bioabfälle müssten als regenerative Energiequelle genutzt werden, sagte der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor einem Jahr bei der Inbetriebnahme der Biogasanlage. Zwölf Millionen Euro hat sie gekostet. Sprecher Fiedler schätzt, dass die Stadtreinigung durch den Gasverkauf an Vattenfall jährlich bis zu 1,5 Millionen Euro einnimmt. Diese Einnahmen würden helfen, die Kosten der Bioabfallsammlung mit 107.000 Biotonnen zu decken.

Häckselmaschine Vario zerkleinert weiter lautstark einen Christbaum nach dem anderen. Mehrere Wochen wird das Baumgemetzel dauern. Was die Hamburger tun können? "Gründlich abschmücken", sagt Töllner. Denn Kunststoff darf nicht in die Brennkammer gelangen. Der Chef geht zurück ins Büro. Ein kleiner Weihnachtsbaum leuchtet im Fenster. Vario wird ihn verschonen, denn er ist aus Plastik.